Beitragende

Donnerstag, 28. April 2011

Wie ich zum Karate kam...

Ich fing mit Karate als Schülerin an, zu einer Zeit in der ich mich unsportlich fühlte, von meinem Lateinlehrer schikaniert wurde („Drück Frauen Caesar zum Übersetzen in die Hand und es kommt ein Kochrezept raus!“), den Schulsport hasste und eine panische Angst vor Bodenturnen entwickelte. Eines Tages beschloss ich, dass ich, wenn ich bis zum Abi durchhalten wollte, etwas unternehmen musste. Ballsportarten kamen nicht in Frage, davon hatte ich im Schulsport schon genug, außerdem wollte ich ja meine Angst vor dem Bodenturnen loswerden und ein bisschen was Besonderes sollte es auch sein. Ich war noch nie diejenige, die das macht, was alle machen.
Irgendwann sah ich einen Karatefilm und wenige Tage später eine Anzeige in der Zeitung - „Karate-Anfängertraining“. Da machte es „Klick“ und ich ging mit Herzklopfen zu meinem ersten Training in der Erwachsenen-Anfängertruppe.
Ich war wahnsinning gespannt, was ich von dem, was ich aus Filmen kannte, im Training tatsächlich wiederfinden würde. So wirklich konnte ich mir das nicht vorstellen. Wie sollte man kämpfen lernen, ohne ständig verletzt zu sein? Ich hoffte inständig, nicht gleich beim ersten Mal verprügelt zu werden. Und überhaupt sah das, was man in Filmen sieht, so gewaltig aus, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass ich in der Lage wäre, so etwas zu lernen. Es war in der Tat mehr Interesse, Unwissenheit und Abenteuerlust, was mich zum Training trieb, als eine konkrete Vorstellung davon, wie Karate ist.
In meiner Tasche hatte ich mein Sportzeug inkl. meiner Jogging-Schuhe. Ich vermutete ganz stark, dass es eine „urban legend“ sein musste, dass Kampfsport barfuß trainiert wird - wir sind doch nicht mehr im Mittelalter!

In der Halle angekommen, schloss ich zaghaft die ersten Bekanntschaften. Ich war die Jüngste, ob damals noch andere Frauen dabei waren, daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern...
Schnell bemerkte ich meinen Irrtum mit den Schuhen, und auch sonst lief das Training ganz anders ab, als ich es erwartet hatte - und ganz anders als jede Schulsportstunde bis jetzt gewesen war.
Mich beeindruckte das Innehalten zu Beginn und zum Ende des Trainings.
Ich war erstaunt, dass die Techniken tatsächlich auf japanisch angesagt wurden und gelegentlich wurde auch japanisch gezählt. Das Ganze hatte mehr Ähnlichkeit mit Filmen, als ich gedacht hätte.
Auch fielen mir die ersten Techniken leicht: Wir lernten zuerst den geraden Fauststoß (Oi-Zuki) und das vorwärts gehen. Unser Trainer ließ uns nicht aus den Augen und korrigierte immer wieder.
Mich begeisterte, dass immer wieder erklärt wurde warum eine Technik genauso und nicht anders ausgeführt werden muss. „Pass auf, wie du schlägst, der Arm darf nicht komplett durchgestreckt sein, sonst machst du dir das Ellenbogengelenk kaputt“, hörte ich ständig.
Vor unserer Trainingseinheit trainierten die Fortgeschrittenen. Wenn ich ihnen die letzten paar Minuten zusah, war ich sicher, dass unsere Techniken für sie total albern und stakselig aussehen mussten. Es war einfach der Wahnsinn, wie cool Katas der Grün-, Blau- und Braungurte aussahen! Das wollte ich auch können!

Nach ein paar Wochen wechselten wir in das Training der Unterstufe. Hier lernte ich einen weiteren Trainer kennen: Michael, damals noch Braungurt.
Wenn ich zum Training die Halle betrat und sah, dass Michael das Training leitete, wusste ich, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nach dem Training quasi auf allen Vieren aus der Halle kriechen würde. Ich hatte etwas Angst, gleichzeitig packte mich die Aufregung und so etwas wie Kampfgeist.
Michael scheuchte uns damals mit fiesen Techniken in Längsrichtung durch die Halle. Wir machten Schubkarre, trugen unsere Partner quer liegend auf unseren Schultern (dazu sagte er immer: „stellt euch vor, ihr seid in der Wüste und euer Freund bricht zusammen...“). Wir traten und schlugen, machten Liegestütz auf Fäusten und Sit-Ups, wir machten Freikampf und Spiele, in denen wir uns gegenseitig mit dem Gürtel jagten und es kam in meiner Anfangszeit gelegentlich so weit, dass Michael meinen Kampfgeist soweit anstachelte, dass ich im Training fast ohnmächtig wurde. Ich musste meine Grenzen erst mal kennenlernen...
Irgendwann nannte ich ihn, wenn ich zuhause vom Training erzählte: „Der Sadist...“, aber meine Eltern sahen wohl in meinen leuchtenden Augen die Begeisterung, das Fieber hatte mich längst gepackt.
Im Training war mir am Anfang sehr wichtig, mir nie anmerken zu lassen, dass ich nicht mehr konnte. Die Liegestütz fielen mir zu Beginn sehr schwer. Zuerst konnte ich nur ein paar, aber dann übte ich zu Hause und es war wirklich sehr beeindruckend für mich, dass, wenn man Liegestütz übt, man eigentlich jeden Tag 1-3 mehr schafft als am Vortag. Innerhalb kürzester Zeit konnte ich ca. 40 Stück, dann steigerte ich das Training nicht mehr, weil es langweilig ist mehr als 40 Liegestütz am Stück zu machen ;-)

Meistens ärgerte ich mich (und das ist auch heute noch so), wenn wir Frauen irgendwo eine „Extrawurst“ im Training bekamen. Aber es gab eine Übung, da war ich echt froh. Als es zum ersten Mal hieß: „Alle eine Reihe, dich zusammenrücken, legt euch nebeneinander auf den Boden!“, war ich ziemlich irritiert. „Du nicht, nur die Herren“, hieß es dann. Unser Trainer stellte sich dann vor die am Boden liegenden, die dann ihre Bauchmuskeln anspannen sollten. Dann lief er vorsichtig über die Bäuche. Ich konnte es nicht fassen! Jetzt sollte ich. Ich hatte furchtbare Angst, daneben zu treten, oder zu schwer zu sein, oder zu fallen, aber ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und es ging.
Der erste am Boden Liegende steht danach auf, geht selbst über alle und legt sich dann am Ende wieder hin, bis alle einmal dran waren. Man merkt dabei genau: Auf den Leuten, die ihre Bauchmuskeln gut anspannen konnten, konnte man wie über eine feste Mauer laufen. Auf denen, die es nicht so gut konnten, war es furchtbar wackelig.
Besonders Spaß machte es mir, wenn wir uns im Kreis um einen Karateka stellten und diesen dann nach Ansage angriffen. Der im Zentrum des Kreises Stehende muss dann schnell reagieren und abwehren inkl. Gegenangriff. Am Anfang konnte ich es gar nicht, mir fiel keine Technik ein, weder zur Abwehr noch für den Gegenangriff, aber nach einiger Zeit wurde es immer leichter. Je schneller die Angriffe kamen, desto automatischer kam die Reaktion. (Eigentlich könnten wir das mal wieder öfter machen, liest hier ein Trainer mit? Ach, und wie heißt die Übung eigentlich?)

Das Training damals war streng, kam jemand zu spät oder benahm sich daneben, hieß es „Liegestütz“ und zwar meistens für alle. Aber auch damals kam Sicherheit und das Miteinander an erster Stelle und auch die „sprituelle Seite“ des Karates kam nicht zu kurz.

Im letzten Training vor meiner ersten Gürtelprüfung gingen wir noch mal alle Techniken durch und Michael nutzte den Moment um alle auf die Prüfung einzustimmen: „Wenn ihr am Samstag zur Prüfung kommt, dann betretet die Halle mit breiten Schultern und erhobenen Hauptes. Ihr habt trainiert, ihr seid gut vorbereitet, ihr habt alles getan um jetzt erfolgreich durch diese Prüfung zu gehen. Also stellt euch vor den Prüfer, blickt ihm in die Augen und macht eure Techniken mit Ruhe und mit Kampfgeist, genauso wie im Training. Dann ist es auch völlig egal, wie die Prüfung ausgeht, denn ihr könnt hinterher sagen, ihr habt euer bestes gegeben und darum geht es beim Karate.“ So hörte ich zum ersten Mal eine von den berühmten Karate-Michael-Reden - wie meine Schwester und ich das später nannten.



Als ich neulich meinen Freundinnen, die ja noch nicht so lange bei uns trainieren, von unserem Training damals erzählte, konnten sie es nicht glauben, dass Michaels Training damals so aussah, von dem Sadist ist kaum noch etwas übrig geblieben, heute liegen die Schwerpunkte seines Trainings anders. Aber natürlich machen nicht nur wir, sondern auch unsere Trainer und das Karate, dass sie trainieren, eine Entwicklung durch. Und es beruhigt mich ungemein, dass diese Entwicklung nicht mit Erreichen des 1. Dans aufhört - das wäre dann ja langweilig, auch wenn ich mich heute ab und zu mal über einen Hauch Trainer-Sadismus im Donnerstagstraining freuen würde ;-)



PS: Ich habe immer noch riesige Angst vor Bodenturnen, das fängt schon beim Purzelbaum an. Zum Glück ist meine Schulzeit längst vorbei und so bin ich nur 1-2 mal im Jahr damit konfrontiert, wenn es heißt: „Heute machen wir Fallübungen!“

Montag, 25. April 2011

Respekt und Karate

Respekt ist die Basis eines sozialen Miteinander und den sollte man jedem Wesen zollen.
Beim Karate wird Respekt sehr groß geschrieben. Prinzipiell erlerne ich beim Training, wie ich meinen Körper als Waffe einsetzen kann. Eine Waffe, die immer verfügbar ist und die mir niemand abnehmen kann. Ohne gegenseitigen Respekt wird dies zum unkalkulierbarem Risiko. Ich muss mich darauf verlassen können, dass mein Trainingspartner, auch wenn er einige Gurte über mir steht, mich nicht zu handlichen Stücken verarbeitet. Respekt ist die Basis von Vertrauen.
Schon bei meiner ersten Begegnung mit der Kampfkunst lernte ich, dass an vielen Stellen im Training Respekt demonstrativ praktiziert wird. Es beginnt schon beim Betreten der Halle. Ich verbeuge mich und zolle damit dem Ort und den Menschen meinen Respekt. Es hat eine Weile gedauert, bis ich diese Verbeugung bewusst für mich wahrgenommen habe. Mittlerweile ist es mir sehr wichtig diesen Punkt bewusst zu Erleben. "Hallo, hier bin ich und ich werde mich in den nächsten 1,5 h den Regeln meines Trainers und des Dojos bewusst und diszipliniert unterwerfen." In meinem Dojo gibt man sich zur Begrüßung die Hand. Gerade dieser Punkt fiel mir am Anfang unglaublich schwer, da ich das unter vermeintlich Fremden normalerweise nicht mache und sogar ablehnen. Aber ich mache es und mittlerweile sperre ich mich innerlich auch nicht mehr dagegen. Es gehört eben zu den (ungeschriebenen) Regeln des Dojos, die ich respektiere. Meine persönliche Befindlichkeit hat an diesem Punkt rein gar nichts zu suchen. Es ist wichtig, dass man diese Begrüßung ernst meint und seinem Partner dabei in die Augen schaut. An letzterem muss ich noch arbeiten.
Das Training beginnt, in dem man sich der Graduierung nach auf einer Linie aufstellt und dann nacheinander erst in die Hocke geht und sich dann auf die Unterschenkel setzt. Damit beginnt das Begrüßungsritual, dass zunächst einen Augenblick der Stille und das anschließende Respekt zollen gegenüber dem Trainer beinhaltet. Dann beginnt das Training. In den nächsten 1,5 h gibt es nur einen, der sagt, wo es lang geht, mein Trainer. Ich musste lernen, dass ich mit einem Trainer arbeiten kann, indem ich nur die grundlegende Regel beherrsche, ihn zu respektieren. Selbst wenn es sich hier um eine Person handelt, mit der ich menschlich wahrscheinlich niemals einen Basis finden würde, in der Halle ist vieles möglich. Wir müssen keine Freunde werden und wir müssen auch niemals gemeinsam Zeit außerhalb des Trainings verbringen, aber wir können uns respektieren und vernünftig miteinander umgehen. Diese Einsicht hat bei mir lange gedauert. Ich habe mich innerlich gegen meinen Trainer gesperrt und mir dadurch zu Beginn die Möglichkeit versagt, zu lernen und mich weiterzuentwickeln. Ich habe sogar ein ganzes Jahr lang auf eine Trainingseinheit mit der Ausrede verzichtet, das mir einige Leute dort nicht in den Kram passen. Es war ein mehr oder weniger sanfter Stoß meiner Freundin notwendig um einzusehen, dass nicht sie das Problem waren, sondern ich.
Beim Training ist es wichtig, dass ich die individuellen Möglichkeiten des Anderen respektiere. Ein Trainingspartner, der körperlich eingeschränkt ist trainiert anders als jemand, der es nicht ist. Wenn ich wählen könnte, dann würde ich mir einen Trainingspartner suchen, von dem ich technisch etwas lernen kann oder der mir zumindest ebenbürtig ist. Aber auch von einem schwächeren Gegner kann ich viel lernen, allerdings auf einer anderen Ebene. Hier lerne ich hautnah, was Respekt ist und wie ich ihm meinem Gegenüber zeigen kann.
Oft wird meine Technik im Training kritisiert und es wird mir gezeigt, wie ich etwas besser machen kann. Wichtig ist zu begreifen, dass die Technik kritisiert wird und nicht meine Person. Diese Kritik gibt mir die Möglichkeit mich weiterzuentwickeln. Das setzt allerdings voraus, dass ich bereit bin diese anzunehmen. Es hat keinen Sinn, sich innerlich dagegen zu sperren, denn wieder versage ich mir die Chance, mich weiterzuentwickeln. Ich zolle meinem Trainer Respekt, indem ich augenblicklich versuche, die Kritik konstruktiv umzusetzen. Auch wenn ich der Meinung bin, alles Richtig gemacht zu haben, der Trainer hat wesentlich mehr Erfahrung als ich, hat eine höhere Graduierung und kann in jedem Fall beurteilen, ob eine Technik richtig oder falsch praktiziert wurde. Mein persönliches Befinden, falscher Stolz oder Trotz wären hier vollkommen falsch.  Die Offenheit, etwas zu verbessern oder zu lernen bringt einen jetzt wesentlich weiter. Auch wenn einer meiner Trainer gerne sagt "Kaum macht man es richtig, funktioniert es auch", schwingt in diesem Satz niemals auch nur ein Hauch von Arroganz, Überheblichkeit oder Respektlosigkeit mit. Ganz im Gegenteil. Er ist ein Lehrer, der seinen Auftrag sehr ernst nimmt. Er ist bereit, sein großes Wissen mit uns zu teilen und uns zu unterrichten.
Das Einzige, was wir tun müssen ist, uns geistig zu öffnen und es zuzulassen.

Sonntag, 24. April 2011

Mein erstes Kindertraining als Co-Trainer

Vor ein paar Wochen sprach mich eine Freundin an, ob ich nicht mal Lust hätte als Co-Trainerin beim Kindertraining mitzumachen. Das Kindertraining sollen immer möglichst zwei Trainer machen, am besten ein Mann und eine Frau, damit bei Verletzungen etc. ein Ansprechpartner da ist.
Ich habe mich schon oft gefragt, wie eigentlich ein Kindertraining funktioniert. Ich habe damals ja als Jugendliche gleich beim Erwachsenentraining angefangen.
Da trifft es sich ganz gut, dass ich gerade nach einer langen Phase mit Überstunden im Beruf gerade wieder etwas mehr Ruhe habe und so die Möglichkeit habe Dienstags früher Schluss zu machen. Also sagte ich zu.
Es handelt sich um eine Anfängergruppe. Die Kinder sind so zwischen 6 und 12 Jahre alt. Für mich gab es nur einen Haken: Ich kannte den Trainer gar nicht.

Schon den ganzen Tag im Büro war ich ziemlich aufgeregt. Je näher der Feierabend rückte, umso mehr kribbelte die Aufregung in meinem Bauch. Endlich war es soweit und ich konnte losfahren. Zum Glück gab es keinen Stau, so war ich sehr früh da und konnte schon den ersten kleinen Jungen mit seiner Mutter begrüßen.  Ich nutzte die Zeit um gleich mal zu fragen, was sie denn alles schon gemacht haben. Es stellte sich heraus, dass er noch Schwierigkeiten mit der Wendung hatte und ich nutze die Gelegenheit um ihm im Flur der Halle die Technik gleich schon mal zu zeigen.
Dann kamen immer mehr Kinder und letztendlich auch der Trainer Michael (der aufmerksame Leser wird feststellen, dass es bei uns mehrere Michaels als Trainer gibt :-) ). Er war der einzige Erwachsene, der ohne Kind ankam. Ich begrüßte ihn und wir gingen uns umziehen. In der Mädchenumkleide war eine Mutter mit ihren drei Töchtern. Die Mittlere war zum Training da, die jüngste ungefähr vier. Als ich mich umzog, fing die kleine plötzlich an sich kringelig zu lachen, zeigte auf mich und meinte zu ihrer Mutter: „Guck mal, die da!“ - Das fing ja gut an! Die Mutter seufzte verlegen und sagte schulterzuckend: „Im Moment findet sie einfach alles lustig.“ Ich musste auch lachen.

Unten in der Halle angekommen, stellte ich fest, das bereits eine Menge Kinder mit Bällen durch die Halle tobten. Ich stellte meine Sachen ab, da kam ein kleines Mädchen mit Rattenschwänzen auf mich zu, gefolgt von zwei kichernden Freundinnen.
„Hast du den ersten oder den zweiten Blaugurt?“ wurde ich gefragt. „Den ersten“, antwortete ich. Die Mädchen kicherten. „Mein Freundin ist 10 und hat den zweiten.“ Na toll! - dachte ich.
Viel Zeit hatte ich nicht mit Michael den Trainingsplan abzusprechen. Er sagte nur, ich solle eben mitmachen, helfen die Kinder „in Schach“ zu halten und mit rumgehen und Hilfestellung zu geben.
Dann ging es los. Ich nahm meinen Platz neben ihm ein und wir fingen an mit Aufwärmtraining. Ganz schön anspruchsvoll, fand ich, ich war schnell aus der Puste. Überrascht war ich auch von den großen Unterschieden in Gelenkigkeit und Koordinationsfähigkeit bei den Kindern.
Wir machten diverse Hampelmannvarianten, Gleichgewichtsübungen usw. und ich war bestrebt mir nicht anmerken zu lassen, dass ich schon ziemlich geschafft war. Am Schluss kamen noch Liegestütz, eigentlich kein Problem, aber Michael sagte sie so an, dass man runtergeht, unten ca. 5 Sekunden hält und dann wieder hoch geht. Leider musste ich feststellen, dass das deutlich anstrengender ist als normale Liegestütz.

Endlich war es vorbei und das eigentliche Training begann. Michael sagte die Techniken an und wir gingen rum, um einzelne Techniken zu verbessern. Hier war ich endlich in meinem Element, sowas mache ich gerne. Noch mehr Spaß machte es zu sehen, dass die Kinder sich nach einer Korrektur wirklich bemühten, die Korrektur umzusetzen. Gerade hatte ich begonnen mich zu Entspannen, da hörte ich hintermir ein Schluchzen und Michaels tröstende Worte. Ich drehte mich um. Eines der kleinsten Mädchen weinte Krokodilstränen. Der Trainer war ihr wohl versehentlich beim Zeigen einer Technik auf den Fuß getreten. Mir gefror das Blut in den Adern. „Grad ein paar Minuten Training um schon schon heult jemand“, dachte ich. Ich ging mit dem Mädchen an den Rand, untersuchte den Fuß (es war nichts zu sehen), tröstete und streichelte den Fuß. Irgendwann meinte das Mädchen schluchzend: „Ich glaube jetzt kann ich weitermachen“, während die letzte Träne runterlief. Tapfer stand sie auf. Ich strich ihr über den Rücken und sagte etwas in der Art wie: „Wenn der erste Schreck erst mal weg ist, geht es wieder!“. Da drehte sie sich noch mal zu mir um und lächelte mich an wie ein süsser Engel im Karateanzug. Ich war von dem plötzlichen Stimmungswandel etwas geschockt, aber es war einfach zu niedlich. Die Sache begann doch Spaß zu machen.

Bis zum Ende richtete ich mehrere Fäuste, korrigierte Füße und Beine, versuchte den Kindern klar zu machen, dass es einen Unterschied zwischen Arm nach vorne halten und zuschlagen gibt und das mit wachsender Begeisterung.
Eigentlich schade, dass ich nicht regelmäßig Zeit fürs Kindertraining haben werde...

Mittwoch, 20. April 2011

Beeinflusst Karate mein Leben?

Die erste Reaktion von mir auf diese Frage wäre ein klares "NEIN!", gefolgt von "Mein Leben bestimme nur ich". Die zweite Reaktion wäre, darüber nachzudenken, ob ich denn überhaupt zulassen könnte, dass eine Sportart mein Leben beeinflusst. Über die Antwort müsste ich schon länger nachdenken, aber sie würde wahrscheinlich auch "Nein" lauten.
Aber sollte Karate nachdem, was ich bisher gelernt habe nicht Einfluss auf mein Leben haben? Bin ich als Unterstufen-Gurt einfach nur noch nicht bereit, Karate nicht nur an den Körper, sondern auch an die Seele zu lassen. Oder hat es doch bereits heimlich, still und leise meine Seele ergriffen? Was erwarte ich eigentlich? Die totale Erleuchtung? Den perfekten Lebensstil? Die richtige Einstellung? Das alles, am Besten sofort? Oder bin ich vielleicht schon mitten drin?

Ehrgeizig und zielstrebig war ich schon immer. "Geht nicht" gabs bei mir noch nie. Das klingt doch schon mal gut. Allerdings entwickele ich auch nur genau dann Ehrgeiz, wenn mich etwas begeistert. Alles andere bleibt schon mal deutlich länger auf der ToDo-Liste. Karate begeistert mich eben. Es hat einen gesunden Platz in meinem Leben gefunden.

Was ist mit Disziplin? Na ja, könnte besser sein. Training ist mir wichtig. Bis ich einen Termin auf meine Trainingszeiten lege, muss schon viel passieren. Ich komme immer über pünktlich und mein Karateanzug landet alle 1-2 Wochen in der Waschmaschine, damit er wieder sauber wird. Und sonst? Gebe ich nicht gerne Wiederworte und diskutiere mit dem Trainer? Rede ich nicht während des Trainings auch mal gerne mit der Freundin, die ich seit mindestens zwei Tagen nicht gesehen habe? Doch, ja, schon. Also eindeutig noch ein Punkt zum Weiterentwickeln.

Was ist mit Respekt? Ich respektiere meine Trainer, den einen mehr, den anderen weniger. Bei meinen Mitstreitern ist das manchmal nicht so einfach zu beantworten. Aber ist es wirklich mein Problem, wenn jemand nur sporadisch zum Training kommt? Er wird seine Gründe haben. Respektiere ich jemanden weniger, nur weil er mich ständig provoziert und nervt? Eigentlich nicht. Vielleicht mag er mich einfach nicht? Vielleicht beruht das auch auf Gegenseitigkeit? Aber selbst, wenn ich es könnte, würde ich auch bei ihm jede Technik mit äußerster Vorsicht anwenden. Also respektiere ich zumindest seine Gesundheit.
Vielleicht sind solche Menschen auch nur beim Training, damit ich mehr Respekt und Toleranz entwickeln kann? Denke ich nicht viel zu viel über das Falsche nach und behindere mich dabei nur?

Fest steht, es gibt noch eine ganze Menge Entwicklungspotential. Technisch, menschlich und auch geistig. Es macht Sinn, dass man sich die höheren Gurte hart erarbeiten muss, denn es gehört dazu nicht einfach nur das Erlernen und Vorführen bestimmter Techniken. Man muss sich auch weiterentwickeln und das in vielerlei Hinsicht. Manchmal erscheint die geistige Entwicklung bedeutend schwerer als die körperliche Entwicklung. Und manchmal steht man sich auch einfach selber nur im Weg. Es ist aber auch beruhigend, einen Trainer an der Seite zu haben, der diese Entwicklung begleitet und jederzeit eingreift, wenn er merkt, dass es sich in irgendeiner Weise in die falsche Richtung entwickelt. Der Weg ist noch weit und wird vielleicht nie zu Ende sein. Aber er ist auch spannend und sehr lehrreich.

Montag, 18. April 2011

Karate? Muss ich jetzt Angst vor dir haben?

Ja, ich mache Karate, und zwar schon viele Jahre. Und ja, es ist mehr als nur Sport (wie z.B. Fitnessstudio, Fahrradfahren, etc.) für mich. Und ja, es geht dabei um Schlagen und Treten und Kämpfen.
Aber das, worum es wirklich geht, spielt sich im Inneren ab. Es zeigt sich in den vielen kleinen Gesten und Details, die ein guter Beobachter beim Training entdecken würde.

Es geht um Respekt. Um Respekt vor dem Trainingsort und den Trainingsgegenständen. Es geht um Respekt vor dem Partner und vor dem Trainer. Und es geht um Respekt vor sich selbst. Respekt vor den Menschen und der Welt zu haben ist etwas, das man auch aus dem Dojo herausträgt, und was sich im Alltag niederschlägt. Vielen Menschen fehlt es meiner Meinung nach an Respekt. Besonders äußert sich das am Umgang mit materiellen Dingen oder den Leistungen anderer. Beim Training verbeugt man sich beim Betreten der Halle vor dem Dojo. Man zollt dem Trainer und Partner Respekt bei Beginn und Ende einer Trainingssequenz. Jeder wird Ernst genommen. Kommt z.B. jemand zu spät, grüßt er den Trainer an und latscht dann nicht quer durch die Halle zu seinem Platz in der Reihe sondern geht an der Wand entlang bis ans Ende der Reihe um die anderen nicht zu stören.

Beim Karate geht es um Disziplin. Auch wenn wir im Training mal rumalbern und lachen, gilt doch das, was der Trainer sagt. Gerade für erwachsene Anfänger ist das oft schwierig. Wann ordnet man sich im Alltag der heutigen Ellenbogengesellschaft schon mal wirklich jemandem unter? Manche Anfänger murren oft laut, anderen merkt man an, wie sie einfach ihr Ding machen und dem Trainer lautlosen Widerstand entgegensetzen. Sich unterzuordnen heißt nicht, seine eigenen Wünsche oder Ziele aufzugeben (immerhin geht es hier ja auch nur um die 2-4 Stunden Freizeitbeschäftigung in der Woche), es bedeutet Vertrauen zu schenken und es zu erlauben die eigenen Grenzen zu überschreiten und auszudehnen. So lernt man über sich hinauszuwachsen. So etwas macht stark und ist gut für das Selbstbewusstsein. Es ist unglaublich befreiend ab und zu einfach mal das zu machen, was gesagt wird und damit Erfolge zu erzielen.
Disziplin bedeutet aber auch, zum Training zu gehen, obwohl man geschafft ist. Techniken auszuprobieren, obwohl man Angst hat. Kontrolliert mit dem Partner umzugehen und sich an dessen Fähigkeiten anzupassen.

Es geht beim Karate auch um so etwas wie Selbsterfahrung. Für mich gibt es im Training keine Grenze mehr in meinem Engagement. Ich halte mich nicht zurück, um nicht aufzufallen, ich mache mich nicht absichtlich schwach, ich blicke meinem Gegenüber in die Augen, ich schäme mich nicht zu schwitzen, mein Kiai ist laut. Ich bin einfach ich, ohne Drumherum. Ohne einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, wie ich wirke oder wie ich mich geben sollte. Im geschützen Raum des Dojos ist das möglich. Es geht nicht um Teamwork, es geht nicht darum, was andere über mich denken.
Hier geht es nur um mich und darum, dass ich mich verbessere. Dieses Ziel teilen wir alle und helfen uns gegenseitig dabei.

Ich liebe am Training die Herausforderung, Neues zu machen, Techniken zu schaffen, die ich mir nicht zugetraut hätte. Mir ist es wichtig als Trainingspartner Ernst genommen zu werden, und als ebenbürtig gesehen zu werden, besonders als Frau unter den Männern.  Deswegen trainiere ich auch gern im Partnertraining mit Männern. Ich habe den Anspruch, dass ich gleich gut, gleich stark sein muss, wenn wir den gleichen Kyu-Grad haben.
Ich liebe es nach einem Training völlig ausgepowert ins Bett zu fallen und sofort einzuschlafen.
Ich liebe den Muskelkater, die wunden Füße und die gelegentlichen blauen Flecke, weil sie mich auch in den Tagen nach dem Training an das Glücksgefühl dabei erinnern und dafür sorgen, dass ich mit ähnlicher Begeisterung durch den Alltag gehe.
Ich weiß, was ich kann und ich weiß, dass ich über mich hinauswachsen kann.

Die häufigste Reaktion, wenn jemand erfährt, dass ich Karate mache, ist: „Oh, oh, oh, dann muss ich ja aufpassen was ich sage, da muss ich ja Angst vor dir haben.“
Obwohl ich schon so viele Jahre trainiere, ist mir noch nie eine gute Antwort auf diesen Spruch eingefallen. Mal sage ich einfach „ja“ oder „nein“. Früher habe ich deswegen nur engsten Freunden von meinem Sport erzählt.
Muss man jetzt Angst vor mir haben?
Ich habe mich damit auseinandergesetzt, was ich tun und lassen würde, sollte ich einmal angegriffen werden. Das unterscheidet mich sicherlich von vielen anderen Menschen. Aber ich prügele mich nicht. Ich habe keinen Spaß am Prügeln. Es gibt nichts Schlimmeres für mich als im Training jemanden zu verletzen.
Aber ich habe das Selbstbewusstsein mir Herausforderungen zu suchen und tue die Dinge, die ich tue mit Hingabe.
Also, entscheidet selbst!

Sonntag, 17. April 2011

Du machst Karate???

Dieser Ausspruch, gefolgt von einem entsetzten Blick ist mir schon häufiger begegnet, wenn ich mich zu meiner Leidenschaft oute. Auf Nachfrage kommen dann noch Begriffe wie "prügeln", "Schlägertruppe" und "Verletzungen" auf den Tisch.
Das ist der Hauptgrund, warum eigentlich nur mein engeres Umfeld erfährt, dass ich diesen Sport betreibe. Denn alle, die mich nicht etwas kennen, hätten mir jetzt schon einen Stempel aufgedrückt, den ich so schnell nicht wieder los werden würde.
Aber um das mal klar zu stellen:
Ich prügele mich nicht. Ich gehöre auch zu keiner Schlägertruppe. Und schwer verletzt habe ich mich beim Karate noch nie. Gerade Letzteres kann man auch sehr gut vermeiden, wenn man einige Regeln beachtet, die Sandra in ihrem letzten Artikel prägnant zusammengefaßt hat. Und auch der Rest trifft auf niemanden in meinem Sportgruppe zu.
Es gibt sicher Vereine, bei denen der Stempel gerechtfertigt ist, auch ich habe während meiner Promotionszeit im Ruhrgebiet einen solchen kennen gelernt, aber ich denke und hoffe, dass das eine Ausnahme war. Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, dass meine Trainer jedem, der solche "Schläger-Ambitionen" zeigen würde, achtkantig raus werfen würde.
Der Grund, warum ich vor einigen Jahren mit Karate angefangen habe, war dementsprechend auch ein vollkommen anderer. Es war eine Mischung aus Neugier und "Das wollte ich schon immer mal ausprobieren". Nach einem Probetraining sprang der Funke über und dieser Sport wurde ziemlich schnell zu einem wichtigen Teil meines Lebens. Irgendwann schaffte ich es zeitlich einfach gar nicht mehr, doch nach einer mehrjährigen, berufsbedingten Pause, gewann der Wunsch, wieder anzufangen, mehr und mehr die Oberhand. Mittlerweile an einen anderen Ort gezogen begann ich mir einen neuen Verein zu suchen. Schnell war ich bei meinem jetzigen Verein gelandet. Nach einer ersten, sehr freundlichen Kontaktaufnahme per Mail, stand ich kurze Zeit später zum Probetraining in der Halle. Ich wurde sehr nett aufgenommen und durch meine ersten Trainingsstunden nach so langer Zeit begleitet. Die Entscheidung, mich dem Verein anzuschließen fiel mir dementsprechend sehr leicht. Seit über einem Jahr bin ich nun wieder aktiv dabei und versuche trotz beruflicher Pendelei zweimal in der Woche zum Training zu kommen.
Es fasziniert mich nach wie vor zu lernen, wie ich meinen Körper immer besser einschätzen und einsetzen kann. Zu Erfahren, wie viel ich durch Disziplin und Ehrgeiz erreichen kann. Zu Begreifen, dass ich mich auch geistig weiterentwickeln muss, um im Karate weiter zu kommen und dass dieser Teil oft schwieriger ist, als irgendeine neue Technik zu erlernen. Immer wieder zu spüren, dass man nie alleine steht, sondern ein Teil einer Gruppe ist, die einen unterstützt, wenn man es denn zulässt. Zu Erfahren, dass Kritik immer auch positiv sein kann und mich wirklich weiter bringen kann, wenn ich sie denn akzeptieren und umsetzten kann.

Karate beherrscht man nicht irgendwann, es ist vielmehr ein Lebensweg, der nie endet. Es gibt immer etwas zu Lernen, zum weiter Entwickeln, zum Wachsen. Oft ist es nur der Kampf gegen sich selber.

Samstag, 16. April 2011

Sicherheit

Um das Verletzungsrisiko zu minimieren gibt es besonders bei Techniken mit einem Partner Regeln. Da ich immer mal wieder erlebe, dass auch fortgeschrittene Graduierungen diese Regeln mal besser und mal schlechter kennen, möchte ich sie hier mal mit meinen eigenen Worten wiedergeben:
  1. Techniken abstoppen
    Schläge und Tritte werden in der Unterstufe vor dem Partner abgestoppt. In höheren Graduierung darf im Shudan- und Gedan-Bereich ein leichter Kontakt stattfinden, im Jodan-Bereich (also der Kopf) aber nicht.
  2. Kontrolliert schlagen
    In einer Übung, bei der es Kontakt geben soll, muss der Angreifer kontrolliert zuschlagen und die Intensität der Technik seinem Gegenüber anpassen (Soll heißen, einem 15-jährigen Weiß-Gurt-Mädchen kann man nicht genauso in den Bauch schlagen, wie einem ausgewachsenen, trainierten Schwarzgurt).
  3. Augenkontakt
    Im Freikampf ist Augenkontakt das Wichtigste. In den Augen des anderen sieht man was als nächstes kommt und vor allem wann. Auf die Füße oder Fäuste des Partners zu schauen kostet wertvolle Zeit.
  4. Abschlagen anstatt Schmerzen auszuhalten
    Besonders in der SV, bei Wurf- und Hebeltechniken gibt es Techniken, die den Partner durch Schmerz in die richtige Richtung lenken, damit hier keine Verletzung geschieht, gilt es beim Training sofort abzuklopfen (mit der Hand am Bein, oder am Boden), oder Bescheid zu geben, sobald der Schmerz eintritt. Der Partner lockert dann seinen Griff, weiß aber dass die Technik funktioniert hat. Hier gilt auf keinen Fall die Devise: Ein Indianer kennt keinen Schmerz! - Denn dann würde der Partner seinen Druck weiter erhöhen, bis die Wirkung der Technik eintritt, so kommt es leicht zu Verletzungen!
  5. Natürlich reagieren anstatt sich zu wehren
    Bei SV-Techniken steht beim Üben oft vorher schon fest was gleich passiert, außerdem werden manche Techniken (wie zum Beispiel in den Bauch zu treten) nur angedeutet. Trotzdem ist es wichtig, dass der ursprüngliche Angreifer natürlich reagiert (bei einem angedeuteten Tritt in den Bauch sich nach vorn beugt) und sich nicht gegen die Technik wehrt (da er ja schon weiß was gleich kommt). Dabei können beide sich leicht verletzen und ein Übungseffekt bleibt aus.
  6. Feedback geben
    Ist die Technik eures Partners zu stark, zu schwach, schmerzhaft oder nicht korrekt, sagt es ihm. Nur dadurch kann man dazulernen. Außerdem kann so der Partner seine Kraft in Zukunft besser einschätzen.
  7. Locker bleiben
    Beim Werfen und Hebeln ist es für den Geworfenen wichtig möglichst locker zu bleiben, auch dadurch werden Verletzungen vermieden.
  8. Intensität langsam steigern
    Um ein Gefühl für die Kraft und die Auswirkung der eigenen Technik zu bekommen, sollte man mit dem Partner die Technik mehrfach durchführen und dabei langsam die Intensität steigern. Dabei sollte man beim Partner Feedback einholen. 
So. Ich hoffe ich habe nichts vergessen, aber wenn man die Punkte im Kopf hat, dann kann schon mal fast gar nichts passieren :-)

Mittwoch, 13. April 2011

David gegen Goliath

Dies ist die Beschreibung des Trainings am Montag, dass sich auch schon Melanie weiter unten zum Thema gemacht hat, falls ihr den Beitrag nicht gelesen habt, schaut doch mal rein.

Montag hieß es bei Torsten mal wieder SV, eigentlich war auch Bodenkampf geplant und ich war ziemlich gespannt. Das haben wir nämlich noch nie so richtig geübt.
Wir waren nur acht Leute plus Trainer, so dass wir uns paarweise aufteilten und kleine Inseln aus Judomatten auslegten. Dann übten wir die üblichen Angriffe (Schwinger, Greifen, ...). Zuerst übte ich mit einer „Blaugurtin“ zusammen. Das klappte soweit ganz gut, allerdings wollte ich unbedingt die Techniken noch mal mit einem größeren Mann ausprobieren.
Das hat mehrere Gründe: Erstens haben Frauen eher Angst vor SV (das ging mir vor ein paar Jahren noch genauso).  Jemand der Angst hat, ist entweder stocksteif - das ist birgt ein großes Verletzungsrisiko, oder er lässt sich freiwillig fallen - dann hat man keinen Lerneffekt.
Zweitens merkt man bei größeren und schwereren Angreifern gleich, ob die Technik korrekt ist oder nicht (falls nicht, funktioniert es nämlich einfach nicht).
Drittens wird sich ein Täter immer ein (scheinbar) unterlegenes Opfer aussuchen, also wird man, falls man mal angegriffen wird, sicher jemand stärkeren und größeren gegenüber haben.
Ich fragte also Torsten, ob wir nicht mal die Partner durchtauschen könnten und gestikulierte in Richtung eines Schwarzgurtes, der einen Kopf größer ist als ich.
Zu meiner Überraschung sagte Torsten: „Nimm doch Sascha“ und zeigte in die entgegengesetzte Richtung.
Sascha ist ca. 2,10m groß und ca. 130kg schwer. Immer wenn ich mal neben ihm stehe, komme ich mir vor wie ein Zwerg. Und er grinst dann auch noch immer zu mir runter. Ich holte tief Luft, grüßte meine Partnerin ab und trottete rüber zur anderen Matte.
Es war das erste Mal, dass wir uns in der SV gegenüber standen. Sascha wollte zuerst angreifen. Er packte mich am Gi und schubste mich nach hinten. Ich merkte schon, an der Hand rüttele ich nichts. Ich versuchte, die gerade gelernte Technik umzusetzen, aber ich hatte irgendwie nicht genug Schwung, versuchte das mit Kraft zu kompensieren, und, wie sollte es auch anders sein, hing ich an seinem Arm, und versuchte mit ganzer Kraft ihn doch noch zu Boden zu zerren, aber er stand wie ein Baum und grinste auf mich runter. Na, super!
Verstohlen sah ich mich um, die anderen beobachteten mich nebenbei und grinsten. Auch Torsten war mein Misserfolg nicht entgangen. Er kam noch mal vorbei und zeigte mir, dass es nicht nur auf die richtige Drehung sondern auch auf eine Bewegung nach hinten ankommt, die den Gegner aus dem Gleichgewicht bringt.
Also fingen wir noch mal von vorn an. Ich konzentrierte mich. Sascha packte mich und ich nahm meinen ganzen Mut, Kraft, Schwung und die Technik zusammen und wirbelte herum. Plötzlich flog Sascha mir hinterher und in hohem Bogen mit lautem Rums auf die Matte. Ich war total überrascht, die Mädels auf der Matte nebenan lachten sich schlapp.
„Hast du dich grad fallen lassen?“, fragte ich ihn und grinste endlich mal auf ihn herunter. Er verneinte und so wie er aufgeklatscht war, hätte mich das auch gewundert. Ich war wirklich verdutzt, wie einfach das plötzlich war. Da hätte die halbe Kraft ja auch gereicht.
Nun war es an der Zeit Rollen zu tauschen. Ich registrierte, dass meine Freundinnen auf der Matte nebenan sich auch einen männlichen Gegner geangelt hatten und musste grinsen - Melanie, die am liebsten jegliches SV-Training boykottieren würde, schien doch langsam Spaß an der Sache zu entwickeln.
Ich wandte mich wieder Sascha zu - mir war es wichtig auch wenigstens einen halbwegs ernstzunehmenden Gegner für ihn abzugeben. Ich setzte ein grimmiges Gesicht auf, reckte mich soweit es ging, stellte mich breitbeinig hin, packte ihn kräftig am Gi und schaute ihm in die Augen. Innerlich war ich mir sicher, dass er mich gleich wegfegen, oder niederwalzen würde, aber davon versuchte ich nichts zu zeigen.
Er zögerte, ich nutzte die Gelegenheit ihn etwas zu schubsen und anzupöbeln - inständig hoffend, ich würde nicht wie ein Dackel wirken, der sich wie ein Kampfhund aufführt.
Er packte meine greifende Hand und holte mit dem anderen Arm aus. Dann versuchte er mich zu werfen, aber so wie ich stand, konnte ich stehen bleiben, alles was passierte, war, dass ich ein bisschen im Kreis tänzelte. (Danke, Sascha, dass du mich dann nicht doch noch einfach niedergewalzt hast :-) ).
Wir ließen los und ich erklärte ihm wie es grad bei mir geklappt hatte und worauf man bei der Technik achten muss. Dann versuchten wir es noch mal. Scheinbar ging es jetzt Sascha wie mir zuvor. Er nahm seine ganze Konzentration und seinen ganzen Schwung zusammen und wehrte erneut ab. Meine Füße hoben ab und ich wirbelte zu Boden. Mit einem lauten Rums landete ich. Mein Keuchen von der durch den Aufprall aus meinen Lungen gepressten Luft klang durch die Halle. Diesmal grinste Sascha zu mir runter, ich grinste zurück und ließ mir hochhelfen.
Ich weiß nicht, was mich bei diesem Training mehr beeindruckt hat. Dass ich einen so großen Mann abwehren und werfen konnte, oder dass auch so jemand auf die richtige Technik angewiesen ist (obwohl ich zugeben muss, dass man mit mehr Körpergröße und Masse auch mehr Möglichkeiten hat).
Auf jeden Fall freue ich mich schon auf das nächste Mal und hoffe wir kommen endlich mal zum Bodenkampf.

Warum tust du dir das an?

Diese Frage kommt zweimal die Woche von meinen Kollegen. "Wie kannst du nach einem 9-10-Stunden-Tag noch über eine Stunde nach Hause pendeln und dann auch noch zum Sport gehen?" Ich kann! Ich muss sogar. Nicht, weil irgendein Trainer das von mir verlangt, sondern weil mein Körper danach schreit. Nach einem anstrengenden Arbeitstag, an dem zu 99% mein Gehirn gefragt war, verlangt mein Körper nun den Ausgleich. Neunzig Minuten das machen, was der Sensai ansagt. Nicht hinterfragen, einfach nur machen. Den eigenen Körper an die Grenzen führen und immer wieder ein Stück darüber hinaus. Die Bestätigung, dass ich etwas schaffen kann, wenn ich es nur will und bereit bin, an mir zu arbeiten. Die Erkenntnis, dass ich auch ohne Modellmaße alles machen kann und dass das Fehlen dieser keine Ausrede ist, irgendetwas nicht zu können. Die Einsicht, dass ich an mir arbeiten muss, um mich weiter zu entwickeln. Ein Trainer, der einen sanft aber bestimmt auf diesem Weg begleitet. Mich immer wieder fordert, aber auch fördert.
Ein Haufen Menschen, vom Jugendlichen bis zur reiferen Persönlichkeit trifft man alle in der Halle. Menschen, die man in der freien Wildbahn wahrscheinlich nie getroffen oder wahrgenommen hätte, obwohl doch alle etwas gemeinsam haben. Beinahe eine zweite Familie, die man zweimal die Woche besucht und die fehlen würde, wenn sie nicht mehr da wäre. Zarte Bande, die sich in den Reihen entwickeln, um irgendwann eine ausgewachsene, solide Freundschaft zu werden.
Das ist es, was mich jede Woche aufs Neue in die Halle treibt. Die gesetzten Termine, um die alles darum herum geplant wird. Die Bereitschaft auch noch bis zum nächsten Training mit schmerzendem Körper rum zu laufen oder auch mal ein paar blaue Flecke verstecken zu müssen.

Dienstag, 12. April 2011

Kyusho, die 2. - Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen...

Nachdem wir vor ein paar Wochen Samstags die erste Einführung ins Kyusho (ihr erinnert euch, diese Druck und Schmerzpunkt-Geschichte) von Michael erhalten hatten, gab es letzten Donnerstag die erste echte Trainingseinheit.
Wir begannen mit der Wiederholung der Reanimation. Wieder war ich mir nicht ganz sicher, ob ich es beherrsche, zusätzlich bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich Sinn macht und funktionieren kann.
Nach der Reanimation zeigte uns Michael die ersten Schmerzpunkte und wir begannen zu üben. Zuerst ging es los mit Schwingerabwehr. Wenn man die Hand und den Arm des Angreifenden so packt, dass man diverse Punkte an den Händen drückt, ist der andere gleich ziemlich gefügig. Soweit, so gut. Das war nichts groß Neues. In der SV gibt es viele Techniken, bei denen man den Gegner durch z.B. einen verdrehten Arm festhält. Dann übten wir eine Art Tritt mit dem man versucht, dem Gegner das Bein wegzufegen, ich brauchte bestimmt 10 Versuche, bis meine Partnerin mal irgendetwas außergewöhnliches spürte und dann war es auch nicht so heftig, dass es sie umgehauen hätte. Na toll. Wenn man im Ernstfall 10 Versuche braucht um so einen Punkt zu treffen, hilft das auch nicht viel weiter.
Angeblich soll das auch bei einem schweren Menschen klappen, der gerade auf diesem Bein steht. Ich glaube uns steht ziemlich viel Training bevor, bis das wirklich klappt und überzeugt bin ich von der ganzen Sache auch immer noch nicht. Das alles klingt immer noch ein wenig nach Hokuspokus.
Als nächstes übten wir eine Schlagtechnik unter den gehaltenen Arm. Ich übte wieder mit meiner Freundin zusammen, unsere Arme waren schon rot, aber es tat nicht wirklich weh und der tolle Effekt blieb auch aus.
Als Michael vorbeikam um zu sehen wie es klappt, klagte ich ihm mein Leid. Daraufhin wollte er, dass ich ihn angreife, damit er es noch mal zeigen kann. Gesagt, getan - wir trainieren schon viele Jahre zusammen, ich vertraue ihm - schlug ich los. Er wehrte ab, wie vorher geübt und schlug - eigentlich kann man gar nicht schlagen sagen, es war mehr ein tippen - von unten gegen meinen Arm.
Plötzlich hatte ich das Bestreben mich auf die Matte zu werfen - im Nachhinein kann ich es immer noch nicht fassen, ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht vielleicht doch hätte stehen bleiben können. Auf jeden Fall ließ ich mich plötzlich zu Boden fallen und erst als ich auf der Matte ankam, schoß plötzlich ein ganz merkwürdiger Schmerz wie eine Schlange durch mich durch, ausgehend von der getroffenen Stelle. Total unglaublich!
Michael half mir wieder hoch und sorgte durch Klopfen und Reiben dafür, dass der Schmerz sich verflüchtigte.
Seit dem ist mir bei jeder Vorführung von Kyusho-Techniken mulmig zu mute. Wie soll sich dann erst ein k.O. anfühlen?
Ich hatte noch nie Angst davor mit Michael irgendeine Techniken zu machen, aber jetzt habe ich den Schmerz noch lebhaft vor Augen.  Gleichzeitig will ich der Sache nun umso mehr auf den Grund gehen. Hätte ich stehen bleiben können? Kann ich das auch? Ist da wirklich etwas dran?
Noch bin ich ratlos, aber ich hoffe in den nächsten Wochen Antworten auf diese Fragen zu finden.

SV ist nicht meine Welt! Oder doch?

Wenn ich das Wort "Selbstverteidigung" höre, zieht sich normalerweise alles in mir zusammen und ich verfluche den Augenblick an dem ich mich gegen mein Sofa und für einen Karateabend entschieden haben. Der Grund ist ganz einfach: Ich mag fremde Leute nicht anfassen, ich möchte auch nicht von fremden Leuten angefasst werden und jemandem bewusst weh tun, möchte ich auch nicht. Vor drei Wochen war es mal wieder so weit, Torsten war auf dem Selbstverteidigungstrip. Mein "Och nöööh", quittierte er mit seinem typischen Grinsen. Nur widerwillig habe ich unsere Kampfarena mit Matten ausgelegt. Zusehen hätte mir vollkommen ausgereicht, aber so läuft das nun mal leider nicht. Ich war da und so musste ich auch mitmachen. Die erste Technik sah zumindest mal nicht schwer aus. Mit meinen beiden Freundinnen bin ich dann zu unseren Matten zurück und lies die beiden erst mal machen. Irgendwann musste ich dann natürlich auch mal ran. Etwas steif schnappte ich mir die eine und hatte sie auch, für mich eigentlich eher unerwartet in die Horizontale befördert. Mit Schrecken stellte ich fest, was ich gerade getan hatte. Da sie aber immer noch lachte, probierte ich zögerlich weiter. Auch die zweite lag kurze Zeit später in der Horizontalen. Etwas mutiger ging es an die nächste Übung. Tatsächlich begann es sogar etwas Spaß zu machen. Das Anfassen war irgendwann nicht mehr schlimm und wir alle drei haben bewusst darauf geachtet, die Techniken sauber und korrekt auszuführen und auf die Reaktionen des Partners zu achten. Das kleinste Stop-Signal führte zum sofortigen Abbruch. Damit kann ich arbeiten. Es hat Spaß gemacht, es war eine interessante Erfahrung, die blauen Flecken hielten sich in Grenzen, aber so richtig warm geworden sind wie nicht, die SV und ich. Das nächste Mal dann doch lieber wieder Karate.

Zwei Wochen später erkannte ich schon an Torstens Grinsen, dass es mal wieder soweit war. Begeistert war ich nicht. Diesmal ging es in Paaren auf die Matte. Meine Freundin und ich erarbeiteten uns Technik für Technik und gaben erst Ruhe, als es richtig klappte. Torsten korrigierte hier und dort und ließ sich auch das eine oder andere Mal selber auf die Matte befördern. Das Gefühl wurde besser, die anfängliche Unlust verschwand schnell und der Übermut machte sich breit. Jemand wie meine Freundin würde mich niemals auf der Straße angreifen. Ich bin größer, kräftiger und ungefähr 20 kg schwerer. Nachdem Sandra den Anfang gemacht hatte und sich unseren größten und breitesten Mann als Opfer ausgesucht hatte und ihn scheinbar mühelos auf die Matte befördert hatte, wollte ich das auch mal probieren. Unser männliches Opfer stellte sich bereitwillig zur Verfügung. Vollkommen geschockt schaute ich nur wenige Augenblicke auf einen Mann am Boden. Ich hatte tatsächlich einen Mann, der deutlich mehr wiegt, mehr als einen Kopf größer ist als ich und hinter dem ich mich theoretisch umziehen könnte auf die Matte befördert. Auch ich musste mich erst mal versichern, dass er nicht absichtlich gefallen war, nur um mir einen Gefallen zu tun. Spätestens da war der Bann gebrochen. Mit nie dagewesenem Eifer versuchte ich auch mit den nächsten Techniken wahlweise den Trainer Torsten oder einen der anderen Männer auf die Matte zu bringen, meistens mit erstaunlichem Erfolg.
Das nächste Mal werde ich vielleicht mal auf das anfängliche Stöhnen verzichten und mich einfach mal darauf einlassen, was Torsten uns so zeigt.

Sonntag, 10. April 2011

SV-Training - Realität ins Karate bringen

Hin und wieder trainiere ich gerne SV (Selbstverteidigungs)-Techniken. Es ist eine nette Abwechslung zu den zum Teil starren Abläufen im klassischen Karate und man bekommt ein Gefühl dafür, was denn im Ernstfall tatsächlich funktioniert und was nicht.
Beim SV-Training im Vergleich zum klassischen Karate geht es besonders darum näher am Gegner zu stehen und mehr Körperkontakt zu haben, als es bei den Standardtechniken normalerweise üblich ist.
In den letzten Jahren hat sich nach meinem Empfinden hier ein Wandel vollzogen, wahrscheinlich auch, weil SV früher nur sehr selten trainiert wurde. Während früher die Regel: „Eine Technik und der Kampf ist beendet“ auch für die SV angewendet wurde, sind die Techniken heute vielfältiger geworden und es gibt „sanfte“ Techniken, die man guten Gewissens anwenden kann, ohne dem Gegner gleich bleibenden Schaden zuzufügen. So bekommt man das Handwerkszeug dazu dosiert reagieren zu können. Wer will schon gleich drauflosprügeln, nur weil jemand einen am Handgelenk packt? Vielleicht will der andere einen nur darauf aufmerksam machen, dass man gerade sein Handy oder so verloren hat.
Konkret läuft das dann im Training so ab, dass der Trainer oder wir selbst Angriffe vorschlagen. Dann zeigt der Trainer verschiedene Varianten der Abwehr. In Zweierpärchen wird dann geübt. 
Da einige Techniken bei falscher oder unkontrollierter Ausführung gefährlich sind, braucht man ein gewisses Vertrauen in den Partner. Wir trainieren zum Teil schon Jahre miteinander, so dass man sich kennt. Zum Glück ist beim SV-Training auch noch nie was ernsthaftes passiert.

Beim letzten SV-Training  rollten wir gemeinsam den langen Turnteppich aus und schon ging‘s los.
Die erste Technik war Schwinger-Abwehr, immer sehr gerne trainiert von den Männern ;-). Die Abwehr ist eigentlich recht einfach - zumindest, wenn man weiß, dass genau dieser Angriff kommt. Eine kleine Drehung und schon liegt der andere am Boden. Hier lernen wir zwei Griffe, den anderen, auf dem Rücken liegend am Boden zu halten. Ich frage mich allerdings, wielange sowas tatsächlich klappt. Als ich der Angreifer bin, fange ich am Boden liegend an, mich aus dem Griff zu winden. Schnell wird klar, der eine Griff funktioniert besser als der andere, denn da traue ich mich gar nicht, mich groß zu bewegen, aus Angst mir selbst die Schulter auszukugeln.
Als nächstes kommt Abwehr von Greifen, soll heißen, einer packt den anderen am Kragen und der Angegriffene wehrt ab. Auch hier gibt es wieder eine Möglichkeit den Angreifer zu Boden zu bringen. Bei meiner Freundin klappt das ganz gut. Als ich mir dann einen größeren und stärkeren Partner aussuche, klappt es erst nicht. Michael kommt vorbei und zeigt mir noch mal ganz genau worauf es ankommt. Ich versuche es nochmal und dann klappt es auch. Diesmal landet der Angreifer auf dem Bauch und ist so leichter zu halten. Ich vergewissere mich bei meinem Angreifer: "Habe ich dich wirklich geworfen, oder hast du losgelassen und dich dann fallen gelassen?" Zur Sicherheit üben wir es noch ein paar Mal und tauschen dann die Rollen.
Als nächstes geht es darum ein Greifen mit beiden Händen abzuwehren. Ich soll das mit unserem Trainer vormachen und packe ihn am Kragen.
Da ich nicht weiß, was Michael im Sinn hat, ist es wichtig natürlich zu reagieren - z.B. also einfach zu fallen, wenn ich geworfen werde. Wenn man Angst bekommt, reagiert man stakselig und verkrampft und dann kann man sich leicht verletzen. Aber ich bin relativ entspannt, da ich weiß, dass ich bei unserem Trainer in guten Händen bin, auch wenn ich einen Moment später auf dem Boden lande. Die anderen lachen und ich bin verdutzt, wie schnell das ging. Mir ist gar nicht klar, was eigentlich genau passiert ist. Michael hilft mir hoch und zeigt das ganze noch mal langsam. Immer wieder bin ich fasziniert davon, wie effektiv wirklich einfach aussehende Techniken sind.
Als ich es dann selbst versuche ist es gar nicht mehr einfach. Wo soll ich anfassen? Wie die Hand greifen? Wie die Füße bewegen? Mich in welche Richtung drehen? Mein Partner und ich sind ratlos. Wir müssen es uns noch ein drittes Mal zeigen lassen. Dann klappt es endlich. Und so macht es richtig Spaß! Jetzt muss ich mir das alles nur noch merken, bis zum nächsten Mal...

Samstag, 9. April 2011

Kyusho

Im letzten Jahr hat unser Trainer Michael seinen 1. Dan im Kyusho gemacht. Kyusho ist eine Erweiterung für Kampfsportarten. Es soll die Techniken effektiver machen durch die Reizung von Druck- und Schmerzpunkten am menschlichen Körper.
Nun möchte Michael dieses Wissen an uns weitergeben. Vom Prinzip her klingt das ja toll: Ohne  Kraft, nur durch die richtige Anwendung einer Technik den Gegner zu besiegen. Aber irgendwie klingt es auch ein bisschen nach Magie.
An einem Samstag traf sich Michael mit einer kleinen Gruppe Karatekas, die so wie ich mehr darüber erfahren wollten.
In den folgenden zwei Stunden erfuhren wir viel über chinesische Medizin, Energiebahnen, Druck und Reibepunkte, über die Elemente Wasser, Feuer, Erde, Luft, Holz, dass die Punkte (an denen die Energiebahnen aus dem Körper austreten oder eintreten) diesen Elementen zugeordnet sind und dass man aus den Elementen durch unterschiedliche Reihenfolge unterschiedliche Zyklen bilden kann, z.B. den Zerstörerzyklus. Außerdem gibt es zu jedem Element die passende Fausthaltung und wenn man dann mit der richtigen Fausthaltung auf den richtigen Punkt oder die richtigen Punkte haut, dann kann man erstaunliche Effekte erzielen. Aber nur wenn man dabei auch richtig steht, so dass der Energiefluss nicht unterbrochen wird (zum Beispiel muss man manchmal einen Fuß etwas anheben, so dass nur die Zehen den Boden berühren).
Kurzum, schon nach einigen Minuten beschlich mich das Gefühl mein Trainer wäre verrückt geworden.
Aber ich kenne Michael seit 15 Jahren und bis jetzt hat alles gestimmt, was er mir so bei gebracht hat. Er hat wie ich eher einen technischen Beruf und glaubt auch nicht an esoterischen Quatsch. Nur aus diesem Grund dachte ich: „Naja, warten wir es mal ab.“ Bei jedem anderen hätte ich mich wahrscheinlich ziemlich veräppelt gefühlt
Außerdem, wenn man sich auf den Gedanken einlässt, klingt es wahnsinnig verlockend und irgendwie ganz einfach.
Nach der ganzen Theorie brachte uns Michael erst mal die Reanimation bei. Bei Kyusho kann es / soll es passieren, dass der Partner / Gegner K.O. geht. Ein K.O. beim Kyusho geschieht, wenn Energie im Gehirn fehlt, weil der Körper sie woanders hingeleitet hat.
Bei den entsprechenden Techniken steht immer jemand hinter dem Partner, so dass, wenn der Partner zusammensackt, er nicht fällt sondern aufgefangen wird.
Als Michael das erklärte wurde mir ja doch etwas mulmig zumute. Zum Glück mussten wir uns nicht erst k.O. hauen um die Reanimation zu üben, das geht auch so.
In Dreiergruppen übten wir: Einer deutet einen Schlag an, einer kippt um, einer fängt auf. Dann runter auf den Boden mit dem Opfer, Arme und Beine überkreuzen, damit die Energie nicht wegfließt und dann mit gekonnten Schlägen seitlich in den Nacken, plus Massage, plus streichen über Rücken und Kopf denjenigen wieder wachbekommen. Das war viel schwerer als gedacht. So richtig hinbekommen habe ich das noch nicht, andere hatten aber mehr Glück. Dann war die Zeit auch schon um. Michael empfahl uns noch mal ein paar Youtube-Videos zum Thema anzuschauen.
Nach unserem Training war ich mir immer noch nicht sicher, ob das alles Quatsch ist oder nicht. Nachdem ich ein paar Youtube-Videos gesehen hatte, war ich nicht schlauer. Ein paar Sachen sehen da wirklich nach Fake aus.
Naja, schaden kann es nicht, ich werde das Thema mal weiter verfolgen und wieder berichten wie es weitergeht.

Mittwoch, 6. April 2011

Montagstraining bei Torsten - Die eigenen Grenzen ausreizen

Montag, der Wochenstart, noch bin ich mit frischer Energie dabei und so rappel ich mich nach dem Abendessen auf und fahre ins Dojo zum Training.
Montags sind wir meist eine kleine Gruppe, so auch heute, wir sind zu sechst plus Torsten. Schön, dass die Hälfte von uns Mädels sind, dann hat man gleich beim Umziehen Gelegenheit zum Quatschen ;-).
In der Halle angekommen spielen wir eine Runde Basketball, was bei nur sechs Leuten in eine ziemliche Rennerei ausartet, wir achten darauf, dass jeder mal den Ball bekommt, unsere Mannschaften sind recht ausgewogen.
Nach kurzer Zeit sind wir warm und Torsten beginnt das richtige Training. Wir wiederholen locker unsere Katas und machen dazwischen immer wieder Dehnübungen. Torsten achtet akribisch auf Details und feilt an unseren Techniken.
Danach die Grundschule, hier scheucht er uns mit immer neuen Technik-Kombinationen quer durch die Halle, so langsam könnte ich mal ne Pause gebrauchen. Der Schweiß läuft mir die Stirn runter, mein Gi ist auch schon ganz nass.
Verstohlen blicke ich nach links und rechts, und bin einigermaßen beruhigt - meine Kondition ist heute nicht besonders schlecht - die anderen haben auch zu kämpfen. Ich bin dankbar für jede Korrektur, die Torsten vornimmt, so kann man mal durchatmen. Aber schon geht‘s wieder weiter, Torsten treibt uns an.
So langsam muss ich aufpassen, dass ich es nicht übertreibe und dann irgendwann zusammenklappe. Aber das ist ja das Gute am Karate: zu einem gewissen Teil kann man selbst bestimmen, wieviel man gibt.
Endlich kommt das ersehnte Kommando: „Yamé! Hüfte kreisen, lockern“. Alle atmen erleichtert auf, lockern sich etwas und nutzen die Pause um wieder etwas runter zu kommen.
Wie reißen ein paar Witze und fangen an uns zu unterhalten, da erkennt Torsten scheinbar, dass es wohl genug Pause war und treibt uns an zur nächten Runde: „Yoi! Rechtes Bein vor mit Gedan-Barai!“
Der nächste Lacher: die Hälfte der Leute stehen mit dem linken Bein vorn. Es werden also kurz die Beine sortiert und dann geht‘s weiter mit Grundschule.
Die kleine Pause hat mir gut getan, ich kann wieder mit voller Kraft trainieren, bin jetzt aber etwas vorsichtiger.
Dann machen wir Partnertraining: Einer greift an der andere blockt und kontert, dabei üben wir auch ungewohnte Schläge, wie zum Beispiel gegen das Bein. Gut, dass jeder mal angreift und jeder mal verteidigt. So übertreibt es keiner und wir gehen vorsichtig miteinander um. Beim Partnertraining herrscht eine lockere Stimmung und wir nutzen die Gelegenheit um im unbeobachteten Moment ein wenig Quatsch zu machen.
Dann sind die knapp zwei Stunden auch schon rum. Torsten verabschiedet uns und ich freue mich schon aufs nächste Mal.

Dienstag, 5. April 2011

Donnerstagstraining bei Michael - den Alltag hinter sich lassen

Der Donnerstag kommt immer schneller als man denkt. Die Woche ist fast vorbei, eigentlich bin ich nach der Arbeit richtig k.O. und kämpfe zu allererst mit meinem Schweinehund. Aber ich gewinne :-)
Eine halbe Stunde später bin ich - zwar immer noch ziemlich müde - aber immerhin schon in der Umkleidekabine des Dojos und treffe die ersten Karatekas. Beim fröhlichen Austausch wer was in der letzten Woche erlebt hat ziehen wir uns um.
Beim Betreten des Dojos verbeugen wir uns. Die Gruppe vor uns ist noch nicht ganz fertig, also setzen wir uns leise an den Rand und schauen zu.
Nach ein paar Minuten beendet unser Sensei Michael das Training vor uns und mit dem Kommando „Eine Reihe!“ geht es los: Wir stellen uns der Reihe nach auf, knien nieder und schließen auf sein Kommando die Augen.
Sofort brechen alle Ereignisse des Tages über mich herein, Bilder flackern wie ein Gewitter vor meinen Augen, in meinen Ohren rauscht es. Ich versuche etwas Ruhe zu finden, das Rauschen wird etwas leiser und dann heißt es schon: „Mokuzo Yame“ - ich öffne die Augen und los geht‘s mit dem Training.
Zum Aufwärmen spielen wir eine Runde Basketball und der Ehrgeiz ein paar Körbe zu werfen vertreibt meine letzte Müdigkeit.
Nach kurzer Zeit sind wir alle aufgedreht und definitiv warm, so dass wir uns dehnen können.
Michael erklärt: Heute machen wir Grundschule und am Ende noch ein wenig SV. Das ist gut - Grundschule mag ich :-).
Er sagt je nach Kyu-Grad die Techniken an, zeigt uns was wir zu tun haben und los geht‘s - erst langsam, dann schneller und mit Kiai. Ich habe plötzlich jede Menge Kraft und lasse einfach mal „Dampf“ ab. Nach ein paar Minuten bin ich durchgeschwitzt. Zwischendurch macht Michael Korrekturen und erklärt den Anfängern geduldig worauf sie achten müssen. Für uns höhere Graduierungen sucht er kompliziertere Techniken heraus und ich muss mich konzentrieren, um mich nicht zu verhaspeln.
Nach der Grundschule heißt es „Partnerweise zusammentun“ und ich freue mich, denn es ergibt sich, dass ich mit einem Braun-Gurt, der größer und schwerer als ich ist trainieren kann - für SV finde ich das immer besonders praktisch.
Wir üben, wie man sich aus einem Griff am Handgelenk befreit und den Gegner zu Boden bekommt. Mir gelingt es zuerst nicht - mein Partner stellt sich stur und hält mein Handgelenk so fest, dass ich kaum meinen Arm bewegen kann. Michael kommt vorbei und erklärt noch mal die Details der Abwehr und zeigt worauf es ankommt. Bei meinem nächsten Versuch klappt es plötzlich, mein Partner kniet verdutzt vor mir auf dem Boden und ich grinse verdutzt runter - cool, das funktioniert also. Schon steht Michael daneben und sagt: „Los weiter, jetzt bring ihn ganz zu Boden“ - das ist jetzt leicht und einen Moment später klopft mein Partner ab. Dann tauschen wir die Rollen.
Nach ein paar weiteren Versuchen beendet Michael das Training ab, die Zeit ist um. Wie zu Beginn bilden wir eine Reihe, knien uns hin und schließen die Augen. In meinem Kopf ist Ruhe, das Gewitter hat sich verzogen...

Samstag, 2. April 2011

Mein neuer Blog

Nachdem ich im letzten Jahr während unserer Hochzeitsvorbereitungen und Flitterwochen mit Begeisterung gebloggt hatte, erreichten mich doch unerwartet viele Fragen und Bitten, ich solle doch weiterbloggen.
Trotz allem brauchte ich erst mal eine kreative Pause, aber vor ein paar Tagen hatte ich dann eine Idee für ein Thema:
Ich blogge über meinen Sport, und mein Sport ist Shotokan Karate. Ich hoffe mit diesem Blog kann ich euch mindestens passiv für diesen Sport begeistern. Und wenn sich dann der ein oder andere doch mal an ein Anfängertraining rantraut, dann ist das umso besser :-)

Damit die Seite bis zu meinem ersten richtigen Post nicht ganz so leer ist, hier eines unserer Hochzeitsfotos passend zum Thema:
Also bis bald, und viel Spaß beim Lesen :-)