Beitragende

Montag, 30. Mai 2011

Rückenschule

Vor fünf Minuten bin ich vom Training nach Hause gekommen, habe mich mit Mühe und Not die Treppe hochgeschleppt und bin jetzt aufs Sofa geplumbst, wo zum Glück mein Notebook steht. Und so, wie ich mich fühle, werde ich wohl auch einige Zeit hier erst mal sitzen bleiben...

2 Stunden zuvor...
Heute holte mich Melanie zum Training ab und wir fuhren gemeinsam, gemütlich schnatternd zur Halle. Merkwürdigerweise waren wir heute nur wenig Leute (ich glaube zu sechst), wahrscheinlich war es den meisten einfach zu warm fürs Training.
Torsten kündigte an: Heute machen wir ein bisschen Grundschule und danach gemütlich Rückenschule. Das klang super! Ich habe nämlich noch Muskelkater vom Training am Samstag. "So ein bisschen Grundschule kann so schlimm ja nicht sein und Rückenschule ist ja für mich als Informatiker super", dachte ich mir.

Eine meiner Charakterschwächen ist Naivität...
Es ging los mit Grundschule und wir machten komplizierte Kombitechniken (z.B. Ren-Zuki vor  - Age-Uke zurück - Gjaku-Zuki - Uraken vor - Gjaku-Zuki, usw.). Dabei scheuchte er uns durch die Halle, so dass mir bald mal wieder der Schweiß aus den Haaren tropfte.
Gerade, als ich dachte, jetzt gibt es eine Pause, hieß es "Sandra, komm mal nach vorn, hier in die Mitte, mach mal deine Kata, du willst ja Prüfung machen..."
Mein Herz klopfte, ich war noch von den Grundschultechniken außer Atem, und atmete ein paar Mal tief durch um mich zu beruhigen. Ob das freie Training am Samstag etwas gebracht hatte?
Ich schloß kurz die Augen um mich zu sammeln. Alle beobachteten mich, dann grüßte ich an, sagte meine Kata an und los ging's. Im Kopf hatte ich: "Tief stehen, richtig stehen, denk an die Hüfte, mach beim Kreuzen der Hände nicht so ein Kuddelmuddel, los, den Tritt hoch genug. den Sprung ordentlich - Mist doch etwas das Gleichgewicht verloren, aber noch gerettet, so und jetzt die letzten Techniken, gleich ist es geschafft, nur die Arme nicht überdrehen und nicht zu schnell..." Schon war es geschafft. Ich war stolz auf mich, zum ersten Mal hatte ich unter Beobachtung die Kata flüssig geschafft!
Torsten hatte noch zwei kleine Anmerkungen und kündigte an, dass ich die Kata später noch mal machen sollte. Dann war Melanie dran.
Danach ging's gleich weiter mit Grundschule und ich redete mir die ganze Zeit ein: Nur noch ein bisschen, dann kannst du dich bei der Rückenschule entspannen...
Der zweite Durchlauf meiner Kata lief sogar noch besser, so dass ich jetzt endlich mal ein gute Gefühl habe und sehr erleichtert bin.

Dann ging es los mit der "Rückenschule". Torsten zitierte uns zur Hallenwand (die zum Glück mit Teppich gepolstert ist) und hatte dabei so ein Funkeln in den Augen, wie früher Michael, wenn der einen fiesen Tag hatte - so dass mir nun doch nichts Gutes schwante. Wir mussten uns mit dem Rücken an die Wand stellen und tief in die Knie runtergehen in den Kiba-Dachi. Das war nach 10 Sekunden schon so anstrengend und durch meinen Muskelkater schmerzhaft, dass ich schon die Zähne zusammen biss und die Augen zusammen kniff.
Aber das war noch nicht alles. Wir mussten so bleiben und dabei abwechselnd den linken und rechten Fuß anheben. Dabei zählten wir alle nacheinander bis zehn und Torsten ließ sich dabei extra Zeit. In mir stieg Trotz auf, ich kann es ja gar nicht ab, wenn ich bei soetwas Schwäche zeige(n muss), also ließ ich meinen Körper machen und stellte mir vor, ich wäre ganz weit weg.
Endlich waren wir durch, aber noch hatte Torsten nicht genug und sagte mit Genuss die nächste Technik an.
Als nächstes sollten wir mit den Füßen auf einer Bank und den Händen am Boden Liegestütz machen. Ich weiß gar nicht mehr wieviele, dann sollten wir die Hände dicht zusammen nehmen (zum Glück konnten wir nun die Knie auf den Boden tun) und weiter Liegestütz. Dann eine Übung, von der ich noch nie gehört hatte. Wir blieben im Liegestütz auf Knien und sollten mit der Nase zu einer Hand, dann am Boden zur anderen Hand, dann vor und dann zurück, dann wieder hoch und von vorn. Meine Muskeln brannten bereits und meine Hände kribbelten. Nach der dritten oder vierten Technik schaffte ich es nicht mehr mich hochzudrücken, meine Muskeln gehorchten mir einfach nicht mehr.
Als nächstes kamen diverse fiese Beinmuskeltechniken dran. Ich war nur froh, dass ich links und rechts neben mir auch Gefluche und Gestöhne hörte. Durch das Gefluche fühlte Torsten sich wohl noch angestachelt, wir machten mittlerweile eine Kombi-Technik Bein-Bauchmuskulatur. Mittlerweile hatte ich Schmerzen im ganzen Körper, aber aufgeben wollte ich auch nicht. Trotzdem blieb ich dann nach der letzten Technik einfach völlig fertig am Boden liegen und genoss die Entspannung der Muskeln, das Abklingen der Schmerzen und die Schwere, die einen nach solchen Übungen packt. Aber noch waren wir nicht durch.
Torsten scheuchte uns wieder auf. Als nächstes sollten wir uns auf so kleine Kisten legen (auf den Rücken). der Partner setzte sich auf die Beine auf der Kiste, und man lehnte sich mit dem Oberkörper zurück und machte dann quasi Situps in der Luft. Ekelhaft. Um nach der letzten Technik wieder hochzukommen, musste ich mich an meinen Hosenbeinen wieder hochziehen.
Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, ob wir danach noch irgendwas gemacht haben. Irgendwann hatte es endlich ein Ende.
Völlig durchgeschwitzt, leicht zitternd, aber mit völliger Ruhe im Kopf, wankten wir aus der Halle und zogen uns in Zeitlupengeschwindigkeit um.
Jetzt sitze ich hier fertig auf dem Sofa, hoffe inständig, dass die nächsten Tage nicht zu schmerzhaft werden und ziehe als Lehre für mich aus dem heutigen Training: "Achtung, Rückenschule bei Torsten hat nichts mit Entspannung zu tun!"

Sonntag, 29. Mai 2011

Waschen von Karate-Gi´s

Einen Karateanzug, gerade die qualitativ hochwertigen und damit schweren, zu Waschen und zu Trocken ist jedes Mal wieder eine Herausforderung. Erst lassen sie sich kaum in eine handelsübliche Waschmaschine befördern, dann hört sich diese im Schleudergang an, als ob sie gleich abhebt oder löst wahlweise die Unwuchtkontrolle aus. Das Herausnehmen und Trocknen ist ebenfalls nicht gerade einfach. Einen Anzug in der Wohnung zu verteilen schafft man gerade noch, aber was ist, wenn beide Partner trainieren?
Bei meiner Freundin Sandra habe ich heute einen besonders kreativen Versuch entdeckt, ihren eigenen Karateanzug und den des Eisbären zu trocken:


Der Karateanzug-Geist
Den konnte ich euch einfach nicht vorenthalten :-)

Samstag, 28. Mai 2011

Prüfung, ja oder nein?

Grundsätzlich habe ich ja meine Prinzipien:
  1. Wenn ich mir erst mal was vorgenommen habe, ziehe ich es auch durch!
  2. Ich gebe mein Bestes!
  3. Ich bin Perfektionist.

Wahrscheinlich ist der letzte Punkt auch mein größtes Problem. Als Perfektionist werden die eigenen Erwartungen an sich oder andere regelmäßig enttäuscht - denn die Welt ist nun mal nicht perfekt.
Aber was hat das jetzt mit Karate zu tun? Naja, in erster Linie erst mal nichts. Es hat aber etwas mit mir zu tun und wie ich mein Hobby (und auch alles andere) wahrnehme und lebe.
So ungefähr um die Osterferien herum habe ich mich entschieden meine nächste Gürtelprüfung noch vor den Sommerferien durchzuziehen. Das bedeutet, seitdem gilt Regel 1.

Gleichzeitig ist es mir wichtig die Prüfung zu bestehen und zwar gut (am liebsten perfekt). Ich möchte nicht einfach nur bestehen, sondern ich möchte vorher, in der Prüfung und hinterher das Gefühl haben, die Prüfung zu recht zu bestehen und mit anderen Karatekas meiner angestrebten Graduierung locker mithalten zu können.
Und da habe ich eben meine Zweifel. Diesmal bin ich aus meinen Trainingsgruppen zum ersten Mal die einzige, die eben genau diese Gürtelprüfung im Sommer vor hat. Das bedeutet, ich habe keinen an dem ich mich konkret messen könnte.

Karate macht mir Spaß, großen Spaß. Aber wenn‘s in den letzten Trainingseinheiten ums Prüfungsprogramm ging, sind mir immer wieder noch Fehler aufgefallen oder vom Trainer genannt worden. OK, ich habe in den letzten Wochen auch einige Fortschritte gemacht, z.B. beim Hüfteinsatz, oder auch der Mawashi-Geri fühlt sich im Moment besser an. Aber ob mein Gehirn das auch beim Stress der Prüfung hinbekommt?
Neulich habe ich beim Grundschultraining bei einer ganz einfachen Technik die Hüfte einfach vergessen, dabei ging das doch sonst schon automatisch.
Die verfluchte Kata treibt mich in den Wahnsinn. Bis jetzt mochte ich jede Heian Kata. Jede erzählt ihre eigene kleine Geschichte, mit jeder konnte ich mich gut identifizieren, bei jeder konnte ich den Rythmus spüren.
Nach meiner mehrjährigen Karate-Pause dauerte es einige Zeit, bis ich sie alle wieder einigermaßen zuverlässig konnte, aber inzwischen geht das wieder.
Aber meine aktuelle Prüfungskata passt mir irgendwie nicht. Der Rythmus ist komisch. Die Geschichte erscheint mir nicht schlüssig. Sie fühlt sich aufgezwängt an, wenn ich sie mache. Ist soetwas ein Grund eine Prüfung zu verschieben?
Ich kann die Kata vom Ablauf inzwischen gut. Donnerstag hatte ich zwar mal einen Hänger, aber ich war an dem Abend einfach schon so k.O. und ich war irgendwie nicht ganz bei der Sache. Aber selbst wenn nach meinem Gefühl die Kata gut läuft, fühlt sie sich immer noch nicht rund an.
Das Kumite-Training am Donnerstag hat mir wieder Mut gemacht. Wenigstens das klappt gut.
Und die Grundschule? Im großen und ganzen kein Problem, aber der Ushiro-Geri macht mir nach wie vor Angst.

Mein größtes Problem ist aber, dass ich mich nicht vergleichen kann.
Gut, ich bin schlechter als die Braun- und Schwarz-Gurte. Und ich bin besser als Orange- und Grün-Gurte. Aber mehr weiß ich nicht.
Heute habe ich mir überlegt, dass ich offensichtlich zwei Möglichkeiten habe:
  1. Zur Prüfung gehen
  2. Nicht zur Prüfung gehen

Dann fiel mir ein, dass zur Prüfung gehen ja mit verschiedenen Varianten kombiniert werden kann:
  • Ganz normal bis dahin weiter trainieren
  • Mehr trainieren und das freie Training nutzen um die Unsicherheiten in den ca. 2 Wochen noch auszubügeln.

Oft wird gesagt, Frauen schätzen sich zu schlecht ein, Männer haben mehr Mut zur Lücke. Eigentlich habe ich ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Deshalb weiß ich nicht, sollte ich Mut zur Lücke haben? Oder überschätze ich mich?

Auf jeden Fall habe ich mich entschieden zumindest noch weitere Extratrainings wie am Samstag einzuplanen um möglichst mit der Kata Frieden zu schließen und die Grundschule rund zu bekommen.
Wenn ich in den verbleibenden Tagen noch mal alles gebe, kann ich sagen, ich hätte mein Bestes getan.

Ich habe in den letzten drei Monaten mehr trainiert und mehr Zeit in Sporthallen verbracht als jemals zuvor. Ich habe für mich eine neue Begeisterung für das Karate entdeckt. Die Tage zwischen den Trainingstagen erscheinen mir seit Neuestem endlos. Ich habe die Kata gelernt, von der ich dachte, sie würde nie in meinem Kopf haften bleiben.

Wenn der Tag der Prüfung kommt, dann kann ich hoffentlich erhobenen Hauptes vor den Prüfer treten und weiß: Ich bin vorbereitet. Und dann wird es an der Zeit sein herauszufinden, wie gut oder wie schlecht ich bin, im Vergleich mit Gleich-Graduierten.
So eine Gürtelprüfung ist ja auch keine Diplomprüfung und auch kein Abitur. Ich kann es einfach versuchen.

Egal, ob ich bestehe oder durchfalle. Der Weg und das Ziel nach der Prüfung werden in jedem Fall die Gleichen sein: Noch mehr zu lernen und besser und schneller zu werden.

Dienstag, 24. Mai 2011

Bodenkampf

Als es gestern beim Montagstraining hieß: „Legt die Matten aus, auf Wunsch machen wir Bodenkampf!“ konnte ich mein Grinsen kaum verbergen. Endlich war es mal soweit und ich war gespannt - Bodenkampf habe ich noch nie gemacht. „Wer hat sich das gewünscht?“ meine beiden Freundinnen schauten mich vorwurfsvoll an. „Ich hab nichts gesagt“, verteidigte ich mich und dann fiel es mir ein: „Aber ich habs geschrieben..." (- schön, dass du mitliest, Torsten ;-))

Als wir dann mit Fallübungen begannen, erlitt meine Euphorie einen deutlichen Dämpfer. Ich hasse Fallübungen. Ich finde sie überflüssig: Wenn ich geworfen werde, fliege ich ja sowieso so, wie ich halt geworfen werde und freiwillig werfe ich mich nicht zu Boden, also brauche ich keine Fallübungen. Außerdem habe ich Angst davor. Das ist quasi eines der aus meinem Schulsport übrig gebliebenen Kindheitstraumata.
Naja, mitgehangen, mitgefangen, machte ich die Übungen mit und siehe da: Soooo schlimm war es nun auch wieder nicht.

Dann machten wir ein paar interessante Würfe, zuerst trainierte ich mit einem Mädel zusammen, dann hieß es Partnerwechsel. Ich blickte mich suchend um und fand Melanie, aber die hatte sich tatsächlich Sascha geschnappt - soviel also zum Thema „SV, ach nö!“...

Schnell hatten sich fast alle um mich herum einen Partner gesucht, ich sah, dass der „Anfänger-Kindertrainings-Schwarzgurt-Michael“ noch frei war, ging zu ihm und grüßte an.
So gut kennen wir uns ja noch nicht, aber ich dachte bei einem Schwarzgurt ist man ja eigentlich immer ganz gut aufgehoben.
Wir übten ein paar Würfe, bei denen man im Anschluss versucht den Gegner zu fixieren. Eigentlich ging das ganz gut.

Dann zitierte Torsten sein „Lieblingsopfer“, sprich Trainingspartner, mit den Worten: "Komm mal in mein Büro!" zu sich, legte sich auf den Rücken und sagte: „So, und jetzt knie dich zwischen meine Beine, pack mich am Kragen und halte mich fest und ich versuche rauszukommen.“
Dann sollten wir das einfach mal versuchen, Torsten zeigte erst mal keine Technik.

Ich stand nun immer noch mit meinem Schwarzgurt-Partner da und irgendwie ist das ja schon erstmal eine komische Situation. Also entschloss ich mich aus sicherer Position erst mal die Lage zu erkunden und schlug vor, zuerst der Angreifer zu sein. Er schien kurz darüber zu schmunzeln, legte sich dann aber auf den Rücken. Ich kniete mich zwischen seine Beine, beugte mich über ihn, packte seinen Kragen und versuchte ihn an Ort und Stelle festzuhalten. Tja, scheinbar hatte er schon mehr Bodenkampferfahrung als ich. Es ging ruckzuck und ich lag irgendwie neben ihm auf der Matte. Dann tauschten wir die Rollen.

Er kniete sich zwischen meine Beine, packte mich am Kragen. Ich war erstaunt wie schwer sein Gewicht auf meiner Brust lag und dachte noch kurz „Zimperlich ist er ja nicht“ und fand das eigentlich ganz gut, weil realistischer. Immer wieder bin ich verblüfft, wie komplett anders sich so eine Situation anfühlt, wenn man verteidigt bzw. wie in diesem Fall eben unten liegt.
Dann begann ich mich aus dem Griff zu winden, aber er zog meinen Kragen über Kreuz immer enger, so dass ich richtig schwer Luft bekam. Ich wand mich Meter um Meter weiter und wir robbten über die Matten. Es war wahnsinnig anstrengend, viel anstrengender als ich vermutet hätte. Längst hatte ich alle anderen in der Halle vergessen, ich versuchte nur irgendwie freizukommen. Lange würde ich das nicht mehr durchhalten. In einem letzten Versuch gelang es mir die Beine anzuziehen, mich abzustoßen, und dabei auf den Bauch zu drehen, dann war ich einen kurzen Moment frei und nutzte den um weg zu hechten.
Wir grinsten uns an, Michael gab mir noch ein paar Tipps fürs nächste Mal, ich war völlig außer Atem und musste erst mal eine Pause machen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt!

Gleichzeitig fing ich an Spaß an der Sache zu haben. Ich fühlte mich in meine Grundschulzeit zurück versetzt in der ich mich mit Freunden im Garten auf dem Boden wälzte, wir Indianer und Cowboy spielten und dabei wie verrückt rumtobten.
Trotzdem ist heute alles anders. Damals waren wir alle einigermaßen gleich stark (eigentlich war ich meistens die Stärkste) und gleich schwer und irgendwie war das ganze Rumgetobe ganz einfach. Bei diesem Training war ich, auch wenn ich es nicht gern zugebe, körperlich deutlich unterlegen und im ersten Moment fühlt man sich doch bedroht, wenn man so am Boden liegt und der andere über einem hängt.

Als nächstes zeigte Torsten eine Abwehr. Das probierten wir gleich aus, ich wieder unten. Mit kleiner Hilfestellung von Torsten funktionierte es auch, aber ich versuchte es nochmal allein. Ich wieder unten, mein Partner mit seinem Gewicht auf meiner Brust. Ein Stück weit schaffte ich es aus dem Griff und wehrte mich. Doch er setzte nach, packte mich und zerrte mich wieder rum. Man hat in so einem Moment gar keine Zeit groß nachzudenken. Ich versuchte es wie zuvor, stieß mich ab, und drehte mich auf den Bauch. Plötzlich war ich auf allen Vieren, aber diesmal setzte er nach und ich fand mich im Schwitzkasten wieder. Ich versuchte mich nach hinten zu werfen, es gelang mir aber nicht ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, also versuchte ich als nächstes ihn über meinen Rücken zu werfen. Er war aber einfach viel zu stark, da half es noch nicht mal, dass ich versuchte mein komplettes Gewicht einzusetzen, trotzdem hatte er mich gleich wieder gepackt. Mit meinen Händen versuchte ich instinktiv seinen Arm, der sich wie ein Schraubstock um meinen Hals schloss, wegzuziehen, obwohl ich wusste, dass ich so keine Chance hatte. Ich begann mich hin und her zu drehen in der Hoffnung, er müsste seinen Griff lockern, oder ich könnte ihn zu Fall bringen, ich glaube ganz leicht hatte er es nicht, aber so richtig weit kam ich auch nicht. Wir zogen und zerrten uns über die Matte, ich war grad mal wieder unten, immer noch im Schwitzkasten, da hört ich Torstens Stimme über uns und versuchte den Kopf nach oben zu drehen: „Was macht ihr denn da?“
„Bodenkampf.“ sagte Michael seelenruhig, irgendwo hörte ich Melanie lachen.
„Ihr müsst schon aufhören, bevor einer blau anläuft.“

Ich musste lachen, rang nach Luft und überlegte kurz, ob ich wirklich schon blau anlief, aber verwarf den Gedanken gleich wieder (das müsste man ja merken...). "Ganz schön anstrengend!", ich war dankbar für die Pause und andererseits wollte ich weitermachen, denn noch hatte ich ja nicht gewonnen (wenn man es genau nimmt, war ich meilenweit davon entfernt) und gewinnen wollte ich ja eigentlich :-)

Nachdem ich wieder etwas zu Atem gekommen war, zeigte Michael mir dann noch eine andere Technik und damit fiel es mir viel leichter ihn von mir weg zu bekommen. Zusätzlich zeigte er mir, wie man ganz einfach jemanden richtig am Ohr packt, und war dabei nicht gerade sanft mit meinem Ohr - die Technik hat sich auf jeden Fall ziemlich bei mir eingeprägt.

Dann übten wir noch ein paar Fixierungstechniken. Am Anfang konnten wir uns beide ab und zu beim Partner aus dem Griff winden, aber nach kurzer Zeit konnte ich sogar Michael am Boden halten, obwohl er mich jedesmal wieder damit überraschte, welche Kräfte er plötzlich mobilisieren konnte.

Abschließend muss ich sagen, dass es mir richtig Spaß gemacht hat! Judo wäre wohl ganz sicher nichts für mich, aber hin und wieder mal beim Karatetraining mit dem richtigen Partner über die Matten toben, daran könnte ich mich gewöhnen! Und vielleicht schaffe ich es dann auch irgendwann mal, Michael ruckzuck abzuwehren und ihn gleich so zu packen, dass er nicht mehr nachsetzen kann...


Nachtrag: In der Nacht nach dem Training fiel mir eine Technik ein, die uns der Donnerstags-Trainer-Michael beim Kyusho gezeigt hatte um aus dem Schwitzkasten herauszukommen. Jetzt ärgere ich mich total, dass ich in dem Moment, als ich unter Michael hockte, nicht daran gedacht habe. Beim nächsten Mal will ich das unbedingt noch mal an ihm ausprobieren...

Nachtrag 2 - Retrospektive: Eine Retrospektive ist  u.a. ein Begriff aus der agilen Softwareentwicklung, der bedeutet, dass man nach Ende einer Entwicklungsphase zurückschaut und überlegt, was man beim nächsten Mal anders oder besser machen müsste und was man alles gelernt hat. Das gleiche möchte ich nun mal mit Rückblick auf das letzte Training machen...
Nach dem letzten Bodenkampf-Training hat bei mir doch etwas Ernüchterung eingesetzt...
Ich war deutlich unterlegen und es war so viel anstrengender, als ich mir das vorgestellt hätte. Wir haben ja auf Judomatten trainiert. Trotzdem hat mich der Blick heute morgen in den Spiegel etwas überrascht. Am Rücken und am Hals habe ich dünne Striemen von der "Am-Gi-Zerrerei", ein paar Kratzer und blaue Flecke noch dazu (ich hoffe nur Michael sieht genauso aus :-) ) - weh tut davon nichts und ich habe auch nichts davon gemerkt, als es passiert ist, morgen wird wohl davon nichts mehr zu sehen sein. Wenn ich mir aber vorstelle, dass einem so etwas in dünnen, nicht so griffigen Strassenklamotten auf Asphalt oder steinigem Feldwegboden passieren kann, hat man, glaube ich, als Verteidiger auf dem Rücken liegend eher schlechte Karten.
Wie ich im Training feststellen musste, funktioniert es überhaupt nicht völlig kopflos zu versuchen sich irgendwie zu befreien. Das klappt einfach nicht und ist viel zu anstrengend. Fürs nächste Mal habe ich mir vorgenommen ruhiger zu bleiben und einfach auch mal kurz zu warten, bis ich einen Plan habe und den dann durchzuführen. Vorher konnte ich nicht glauben, dass meine Kraft allein nicht ausreichen könnte, das habe ich nun eingesehen. Also muss man mit Köpfchen arbeiten.
Ich glaube, besonders beim Bodenkampf ist für mich die größte Herausforderung nicht das Anwenden einer Technik, sondern das ruhig bleiben (ich bin sonst auch eher ein aufbrausender Mensch), so dass man überhaupt noch an eine Technik denken kann, dafür üben wir das zu selten und die Situation fühlt sich zu außergewöhnlich an.
Als ich mit Michael so über den Boden gekugelt bin, war das ja ein vorher nicht abgesprochener Ablauf, der dazu führte, dass ich mich plötzlich in seinem Schwitzkasten befand. Hier hätte ich lieber etwas innehalten und mich neu sammeln sollen um dann eine gezielte Abwehr durchführen können, das wäre bestimmt zielführender gewesen.
Ich hoffe, ich bekomme irgendwann (in möglichst nicht allzu ferner Zukunft, so dass ich mich noch gut an meine Erkenntnisse erinnere) die Gelegenheit, das einfach noch mal zu probieren.
 

Zauberei?

Letzte Woche war mal wieder Kyusho Programm. Wir waren zu sechst und wiederholten erst mal die Techniken vom letzten Mal. Michael achtet in letzter Zeit besonders darauf, dass wir auch mal die Partner durchtauschen. Es ist jedes Mal wieder erstaunlich für mich, dass man mit jedem Partner wieder andere Schwierigkeiten hat.
Im Moment machen wir viel mit den Händen und es macht schon einen großen Unterschied, ob ich versuche eine kleine, zarte Hand festzuhalten oder eine große Handwerkermännerhand. Besonders schwierig ist es von der großen Hand auf die Kleine umzusteigen (denn man will sich ja nicht gegenseitig verletzen). Das fühlt sich dann nämlich ungefähr so an, als wenn man nach einigen Runden Go-Kart-Fahren in ein Auto mit Servolenkung steigt (falls jemand das Gefühl kennt).
Dann kündigte Michael an: "Heute wird es spannend, wir machen was ganz Tolles!"
Er zeigte uns ein paar Hebel/Griffe, die im großen und ganzen über Schmerz durch "Nach-Hinten-Biegen" von Fingern funktionieren.
Er nahm sich einen "Vorführ-"Partner und zeigte die Technik. Schnell kniete der Partner vor ihm und sah nicht begeistert aus. Und dann ging es los. Michael erklärte etwas über Energiezyklen (leider war ich so verblüfft, dass ich mir keine Details merken konnte) und meinte, er würde durch Schließen des Kreise mehr Energie erhalten, hob seine freie Hand (die andere hielt ja den Partner in Schach) und schloss mit Daumen und Ringfinger einen Kreis. Im gleichen Moment ächzte der Partner am Boden und kroch etwas mehr hin und her.
Michael meinte: "Schaut mal, ich kann die Energie auch von der Lunge holen" und legte sich die Hand auf die Brust, und wieder wand sich der Partner am Boden.
Dann waren wir dran. Inzwischen hatte sich die Halle gefüllt und Karatekas vom Folgetraining saßen auf den Bänken am Rand und schauten uns gespannt zu.
Ich sah meine Partnerin skeptisch an und auch ihr Blick verriet, dass sie zumindest Zweifel an der Wirksamkeit des Ganzen hatte.

Wir beschlossen einen Test zu machen: Ich bog ihren Finger soweit, wie sie meinte, nach hinten, dann hob ich wie vorher Michael meine freie Hand und war selbst ganz aufgeregt. Konnte es wirklich sein? Das wäre ja wie Zauberei? Es wäre einfach zu toll, ich wollte es gern glauben. Langsam bewegte sich mein Ringfinger auf den Daumen zu, nur noch ein paar Millimeter und der Kreis wäre geschlossen. Ich fühlte wie viele Augenpaare auf mir ruhten und blickte meiner Partnerin in die Augen. Ich holte noch mal Luft und schloss dann den Kreis.

Es passierte .... nichts! Ich blickte enttäuscht auf meine Hand während meine Freundin und die Zuschauer sich schlapp lachten. Das Lachen war ansteckend und es dauerte eine ganze Zeit bis ich mich wieder beruhigt hatte.

Wir versuchten es noch ein paar Mal, immer wieder ohne Erfolg. Dann kam Michael noch mal vorbei und klärte uns auf: Nicht das Schließen des Kreises allein führt dazu, dass der Partner mehr Schmerzen hat, sondern dadurch braucht man nicht so viel Kraft und es fällt einem leichter.
Kein Wunder, dass es bei uns nicht funktioniert hatte, wir hatten uns extra darauf konzentriert nur die Energie wirken zu lassen und bloß nicht den Druck der Hand zu intensivieren.

Leider hatten wir dann nicht noch mal Zeit, es unter diesem Gesichtspunkt erneut zu versuchen. Bitte Michael, lass uns so etwas noch mal versuchen, aber mit einer Technik für die man wirklich Kraft braucht! Das Nach-hinten-biegen eines Fingers ist ja jetzt nicht so schwer, da brauchte ich gar keinen extra Energieschub, aber ich würde es gern noch mal mit etwas probieren, was mir richtig schwer fällt.

Freitag, 20. Mai 2011

Vielleicht doch noch etwas mit der Prüfung warten?

Lieber Michael,
bitte bekomme jetzt nicht gleich einen Herzklabaster. Massiere den entsprechenden Druckpunkt und lies einfach bis zum Ende ;-)

Ein paar Monate vielleicht? Oder ein paar Jahre? Im nächsten Leben?
Es ist mal wieder so weit. Die Prüfung zur nächsten Gurtstufe steht an. Der Termin steht und mein Training ist fast ausschließlich auf genau diesen Tag fokussiert. Und wie jedes Mal vor einer Gurtprüfung hat die Zeit des Zweifels angefangen. Bin ich schon so weit? Überschätze ich die Anforderungen? Kann ich alle Grundschultechniken? Wie sieht die Kata aus? Wie war noch mal der genaue Ablauf des Kumite? Noch vor ein paar Wochen war ich mir sicher, ich werde auf diesen Lehrgang fahren und am Ende meine Gurtprüfung ablegen. Und jetzt? Zweifel und Selbstkritik!
Dabei muss ich mich tatsächlich ein bisschen weiterentwickelt haben. Als ich letztes Jahr vom Oldielehrgang kam, stand ich als frischgebackener Orangegurt in der Reihe und konnte genau - gar nichts. Es gab eine neue Kata, ein neues Kumite und die Grundschule bestand nun plötzlich aus Doppeltechniken und nicht mehr aus Einzeltechniken. Alles war neu. Ein riesiger Berg an Arbeit lag genau vor meinen Füßen. Und ich habe ihn tatsächlich im letzten Jahr bezwungen. Wenn eine der Techniken angesagt wird, weiß ich genau, wovon mein Trainer spricht und denke nicht an ein asiatisches Nudelgericht. Alle bisherigen und die aktuelle Kata kann ich prinzipiell laufen. Die eine liegt mir mehr, die andere weniger. Trotzdem fühle ich mich noch lange nicht "bereit".
Mein Hüfteinsatz existiert nur in meiner Wunschvorstellung. Meine Tritte jagen höchstens den örtlichen Gartenzwergen Angst ein. Meine Trainer wollen mir den Obi ständig ums Knie binden, damit das Knie, wie gefordert, über den Obi kommt. Meine Atmung ist supoptimal, da ich am Ende des Trainings nach wie vor aus dem letzten Loch pfeife. Michael hat ständig Angst um meine Daumen und bereitet mich schon auf ein Leben ohne diese vor. Es fällt mir im Moment schwer, konstruktive Kritik umzusetzen, weil mein Gehirn total vernagelt ist.
Meine Trainer kennen aber genau meine "Problemzonen". Trotzdem zweifeln sie nicht daran, dass ich die Prüfung schaffe. Ganz im Gegenteil, sie ermutigen mich sogar.Vielleicht sollte ich mal langsam aufhören, ständig an mir zu Zweifeln und mich dadurch zu Blockieren. Es sind noch wenige Wochen Zeit, in denen ich intensiv an mir arbeiten kann.
Also liebe Trainer: Ich bin dabei! Auch wenn es oft nicht so aussieht, ich wünsche mir konstruktive Kritik von euch. Ich verspreche, ich werde mein möglichstes tun, um diese umgehend umzusetzen.

Mein Mantra für die nächsten Wochen:
Ich sehe mich im Kleinbus nach Hildesheim sitzen. Neben mir Sandra und wir werden den ganzen Bus unterhalten. Wir werden viel lernen auf dem Lehrgang, hinterher unsere Prüfung ablegen und vollkommen erledigt die Rückfahrt im Bus verschlafen. Wir werden erst aufwachen, wenn uns der Geruch von chinesischem Essen in die Nase steigt und Michael ruft: Essen!  
(Das letzte ist wohl eher eine Wunschvorstellung, die mal diskutiert werden kann)

Montag, 16. Mai 2011

Grundschultraining ist langweilig...

Kündigt ein Trainer Grundschultraining an, ist oft ein gewisses Murren im Raum. Gelegentlich schnappe ich dann auf: „Och, das ist langweilig.“
Für die mitlesenden Nicht-Karateka: Grundschultraining bedeutet, dass man einzelne Techniken nach Ansage des Trainers immer wieder übt und dabei in Bahnen durch die Halle läuft (also z.B. 5x Oi-Zuki, dann Wendung dann 5x was anderes, usw.), immer hin und her.

Das Grundschultraining ist die einzige Möglichkeit sinnvoll die Koordination und das Finetuning von Techniken zu üben. Trainiert man mit einem Partner, muss man sich zusätzlich noch auf ihn konzentrieren und kann sich nicht 100% der Technik widmen.

Stellt man sich aber in die Halle und übt im Grundschultraining die Techniken ausschließlich mit Konzentration auf die Technik ist das erstens tatsächlich langweilig und zweitens leidet die Technik. Sie wird verkrampft, kraftlos und statisch. Dem Trainierenden geht es dann nur darum, z.B. das Knie hoch genug zu ziehen, den Arm nach vorn zu bringen, usw., aber ohne, dass ein tieferer Sinn dahinter steckt.

Im Training machen wir eine Technik immer erst ein paar Mal langsam und hier ist das beschriebene Vorgehen auch völlig ok. Der Kopf und der Körper soll die Bewegung üben und abspeichern. Hier, beim langsamen Üben konzentriere ich mich auf die genaue Ausführung der Technik (Hüfte, Fußstellung, Hand- und Armstellung, Drehung, Körperhaltung, Koordination, etc.).

Dann machen wir einen weiteren Durchgang, der vom Trainer meist mit „Schnell, stark, hart und jedes mal mit Kiai!“ angekündigt wird. Gerade bei Anfängern sieht man dann, dass sie einfach nur versuchen die gleiche Technik auf die gleiche Art und Weise schneller durchzuführen.
Das sorgt dann natürlich dafür, dass in kurzer Zeit die Konzentration weg ist (immerhin denken sie ständig an alle kleinen Details der Technik), dann wird es langweilig und beides sorgt für Misserfolg und Frust.
Ich denke, der zweite Durchgang ist nicht dafür da, die Technik einfach nur schneller zu machen. Sondern sie ist dafür da dem Gehirn beizubringen, wie sie im Ernstfall (soll heißen: Prüfung, Kumite, Kata) durchgeführt werden soll, nämlich mit Kime. In meinen eigenen Worten bedeutet Kime mit maximaler Energie (ausgelöst durch Arretieren und Atemtechnik) und Kampfgeist.

Wenn man aber die Techniken nur zum Selbstzweck läuft und allein in die Luft schlägt, wo soll dann Kime und Kampfgeist herkommen?
Es ist ganz einfach: Ihr braucht einen Gegner! Wie schon in meinem Artikel neulich beschrieben, stellte ich mir als Teenager immer den Übeltäter der Woche vor. Aber inzwischen hat mein Grundschul-Gegner schon seit Jahren kein konkretes Gesicht mehr. Er ist ungefähr 1,80m groß (da sonst die meisten größer sind als ich, habe ich mir auch fürs Grundschultraining einen größeren Gegner rausgesucht), blickt mir mal kampflustig, mal spöttisch (je nachdem wie gut meine Technik grad war) in die Augen und fordert mich heraus. Mein Gegner verkörpert jeglichen Ärger, den ich im Alltag in der letzten Zeit hatte.

Wenn es dann heißt: „Jetzt nochmal, schnell, stark, hart und jedes Mal mit Kiai“ manifestiert er sich vor mir und ich blicke ihm in die Augen (das ist viel einfacher, als bei einem echten Partner und schon starrt man nicht mehr die Gartenzwerge vor den eigenen Füßen an). Sobald es losgeht mit der Technik, vertraue ich darauf, dass die langsame Übung dafür gesorgt hat, dass mein Körper weiß welches Körperteil wann an welche Stelle gehört und wie es dahin kommen soll. Jetzt strebe ich technisch unter Umständen nicht die 100%-tige Perfektion an, sondern lasse meinen Körper einfach machen. Ich konzentriere mich auf eine kraftvolle Technik und das geht so, dass ich eigentlich an gar nichts denke außer daran, den Gegner vor mir mit meiner Technik zu treffen.
Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich bei den schnellen Techniken gerne aus Rumgealber heraushalte und mich lange Erklärungen des Trainers (und den daraus resultierenden Pausen) manchmal stören, denn meine Konzentration auf den Gegner wird dann gestört und das ist anstrengend.
Hat der entsprechende Trainer einen guten Tag und Spaß daran uns durch die Halle zu scheuchen, muss ich nur noch darauf aufpassen es nicht zu übertreiben (zum Glück haben auch unsere Trainer ein Auge auf uns und machen zwischendurch kleine Pausen).
Technik für Technik kämpfe ich dann mit dem Gegner. Der Wechsel zwischen langsamen Techniken und starken Techniken sorgt für kurze Erholungszeiten und für Abwechslung. Dadurch dass der Fokus zwischen technischer Perfektion und Kime wechselt, verbeißt man sich nicht so in Details und der Kopf bekommt zwischendurch eine Pause.

Nach einem solchen Training ist dann mein Kopf leer, der Alltagsärger verdaut und wie weggeblasen, mein Körper ist k.O., ich falle dann totmüde und glücklich ins Bett. Probiert es einfach mal aus und macht aus dem Grundschultraining ein Action Event!

Samstag, 14. Mai 2011

Karate macht glücklich

Keine Schokolade kann in meinem Körper die Endorphinmenge (das ist das sogenannte Glückshormon; kommt u.a. in Schokolade vor) ausschütten, die 1,5h Karate freisetzen. Ich weiß, dass viele Leute in meinem Umfeld glauben, ich sei diesbezüglich total bescheuert. Ich gehe nach einem anstrengenden Arbeitstag zum Training, komme am nächsten und übernächsten Tag mit einem mehr oder weniger tierischen Muskelkater zur Arbeit und bin auch noch glücklich darüber. Nüchtern betrachtet ist das auch wirklich bescheuert. Aber kein Außenstehender kann verstehen, was dieser Sport mit meiner Körperchemie anstellt.
Am vergangenen Donnerstag war mal wieder einer dieser stark endorphinhaltigen Trainings. Die Nachwirkungen spüre ich immer noch durch einen merklichen Muskelkater im gesamten Brust- und Schulterbereich. Ich liebe dieses Gefühl! Es zeigt mir, dass ich lebe und zu was ich eigentlich wirklich fähig bin, wenn ich glaube, total erledigt zu sein. Schon beim Reinkommen sah ich die Schlagpolster auf der Bank liegen und hoffte inständig, dass die da nicht nur zur Zierde rum liegen würden. Das taten sie nicht. Nach dem üblichen Aufwärmen, Dehnübungen und Partnertraining mit Faustschützern teilte uns Michael in zwei Gruppen. Ich durfte bei den "Großen" mit trainieren. Einer der Männer hielt immer das Schlagpolster und nacheinander musste jeder vortreten und die angesagte Technik in die Polster donnern. Ich musste die ganze Zeit an diesen Artikel von Sandra denken. Michael achtete genau auf die richtige Technik. Denn diese Art des Training birgt, auch wenn man es nicht glaubt, ein großes Verletzungspotential. Beim geraden Fauststoß kann man sich ohne Probleme das Handgelenk brechen, wenn die Hand beim Schlag abknickt. Bei den Empi-Techniken kann bei falscher Anwendung das Ellenbogengelenk verletzt werden. Also lieber erst mal langsam die Technik üben und nicht gleich hirnlos los donnern. Die beiden Michaels, die die Schlagpolster halten mussten, taten mir ein wenig leid, da sie unsere ganzen Schläge abbekommen haben. Ich denke, ich wäre beim dritten Schlag nach hinten umgefallen, aber unsere Michaels sind ziemlich standfest.
Es macht wahnsinnigen Spaß, die gelernte Technik quasi an einem Gegner aus zu testen. Langsam bekommt man eine Ahnung davon, wie das ganze ohne schützendes Schlagpolster aussehen könnte, wobei das für mich ganz sicher nicht das Ziel ist. Michael (diesmal der Trainer) feuert einen regelrecht an, einen vernünftigen, kräftigen Schlag in die Polster zu schlagen. Es ist faszinierend, zu was mein müder und geschaffter Körper noch so alles fähig ist und was alles geht, wenn die Technik richtig angewendet wird. Müde sein ist keine Ausrede, denn alle wie sie da stehen, haben einen anstrengenden Tag hinter sich und wenn ich zum Training kommen, trainiere ich auch vernünftig mit. Hinterher bin ich fix und fertig und ein Gefühl des Glücks macht sich breit. Das sind dann die Endorphine, die nun in großen Mengen ausgeschüttet werden. Es ist ein schönes Gefühl, verschwitzt und erledigt nach Hause zu kommen und in das Gesicht meines Mannes zu schauen, der bei meinem breiten Strahlen immer selber lachen muss. Der sich seine "Und? Wie wars?" Frage schon selber beantworten kann. Es war mal wieder toll! Und nach einer Dusche werde ich ins Bett fallen und in Rekordzeit eingeschlafen sein.

Dienstag, 10. Mai 2011

Prüfungsvorbereitung - Kritik annehmen

Seit einigen Wochen schon arbeite ich auf meine nächste Gürtel-Prüfung hin. Ich kann endlich den Ablauf meiner Kata (ok, Timing und Finetuning fehlen noch), ich kann das Kumite (ok, es könnte noch ein bisschen dynamischer werden) und ich kann die Grundschule bis auf den Ushiro-Geri und das Finetuning.
Das bedeutet, so langsam habe ich das Gefühl, die nächste Prüfung kann kommen und ich habe mir auch schon einen konkreten Termin dafür ausgeguckt.

Letzte Woche war nach den Osterferien wieder das erste Training und ich ging hin mit dem Gefühl, die Prüfung wäre in greifbarer Nähe.
Anstrengenderweise wissen auch meine Trainer inzwischen von meinen Plänen, so dass ich im Training unter besonderer Beobachtung stehe.
Am Donnerstag hat sich Michael noch mal ganz genau meine Kata angeschaut. Obwohl ich schon so lange trainiere, werde ich immer noch nervös, wenn ich so genau beobachtet werden. Immerhin will ich ja alles richtig machen. Michael stellte fest, dass ich an drei Stellen noch ernsthafte Fehler mache und an einigen Stellen stimmen meine Blickrichtung und der Rythmus noch nicht. Mein gutes Gefühl für die Kata war nach dem Training dahin. Ich machte sie noch ein paar Mal, aber jedes Mal war ich so darauf konzentriert an die ganzen Schwachpunkte zu denken, dass es dann nicht mehr so richtig rund lief.

Gestern war ich dann beim Montagstraining. Unser Schwerpunkt lag auf der Grundschule. Zusätzlich zu dem von mir gewünschten (und wirklich schweren) Ushiro-Geri machten wir noch weitere Fußtechniken.
Es war unheimlich anstrengend. Schon nach kurzer Zeit tropfte mir der Schweiß von meinen Locken in den Kragen.
Der Hüfteinsatz macht mich jedes Mal einfach wahnsinnig. Es klappt einfach nicht so, wie ich mir das vorstelle. Dann kommt noch dazu, dass mir in den letzten Wochen klar geworden ist, dass ich nicht die richtige Mischung aus Entspannung und Anspannung in meiner Technik habe. Deshalb bin ich auch immer so schnell k.O. .
Torsten gab mir gute Ratschläge und mein Highlight des Trainings war, dass er bei meinem Mawashi-Geri scheinbar den Fehler gefunden hat, der mir schon seit Monaten das Leben schwer macht.

Jedes Mal (und diesmal konkret Donnerstag und Montag) bin ich froh, wenn ich merke, dass ein Trainer genau hinsieht. Wenn ich dann Korrekturen bekomme, sind die Vorschläge der Trainer oft so banal, dass ich mich sofort ärgere, das nicht schon die ganze Zeit so gemacht zu haben.
Wenn man dann die Technik nochmal versucht, klappt es meistens erst mal sogar schlechter, da man sich so sehr auf die neuen Aspekte konzentriert. Das finde ich immer am schlimmsten, denn eigentlich will ich ja zeigen, dass ich es verstanden habe, aber in meinen Muskeln ist es einfach noch nicht angekommen...
Solche Momente machen mir immer wieder bewusst, dass ich noch viel Training vor mir habe und noch viel lernen muss.
Gerade ist für mich die nächste Prüfung gefühlsmäßig in weite Ferne gerückt und ich denke, ich muss wohl noch mehr trainieren, wenn ich den von mir gewählten Termin halten will (ich habe vorsorglich schon mal die Wochen gezählt, so viel ist es gar nicht mehr, da wird einem schon ganz schön mulmig zumute).
OK, ich habe ja schon einige Prüfungen hinter mir und aus Erfahrung weiß ich, dass ich diese Phase immer vor der Prüfung durchmache. Aber wenn man mitten drin steckt tröstet das nur wenig.

Aber was ich eigentlich sagen wollte: Liebe Trainer, bitte kritisiert mich weiterhin (auch nach meiner Prüfung). Ich will ja besser werden. Ich mag es kritisiert zu werden! Ich freue mich, wenn ich merke, dass ihr genau hinschaut! Ich kann es nur meist nicht so zeigen... ;-)

Samstag, 7. Mai 2011

Kampfmuffin? Hä, gibt's Kuchen?

So langsam ist die Zeit gekommen aufzuklären, woher der Name des Blogs (Kampfmuffin) kommt.
Ich bin sicher, die meisten von euch wussten sofort, worum es geht ;-) - für die, die es nicht erkannt haben: Es handelt sich um ein schnödes Filmzitat (3 Engel für Charlie (aus 2000)). Leider habe ich die Szene nur auf Englisch gefunden, aber ich denke, das reicht. Viel Spaß dabei:

Die Waffen einer Frau...

Nachdem ich im letzten Beitrag über die Schwierigkeiten beim geraden Fauststoß berichtet habe, möchte ich diesmal über die Techniken berichten, von denen ich denke, dass sie gerade für kleinere, leichtere und vielleicht käftemäßig unterlegenen Karateka (also z.B. Frauen) effektiv anzuwenden sind.
Mit Karate habe ich nicht angefangen um Selbstverteidigung zu lernen. Als ausgelassener Teenager  kam ich gar nicht auf die Idee ein solches Wissen gebrauchen zu können. Zum Glück habe ich dieses Wissen bis heute noch nicht im Ernstfall einsetzen müssen und ich hoffe es bleibt auch so. Aber ich kenne einige Leute ohne Kampfsport-Hintergrund, die auch in meiner Region Opfer von Übergriffen geworden sind, das macht definitv nachdenklich. Deshalb finde ich, wenn es im Training um SV geht, dass das Training möglichst realistisch sein sollte und dass die geübten SV-Techniken auch für mich funktionieren müssen.

Selbst wenn man kleiner und oder schwächer ist als der Gegner, sollte man das nicht unbedingt als Nachteil sehen. Dafür ist man nämlich wendiger, schneller und wenn man eine Technik gefunden hat, die bei einem großen Partner funktioniert, dann funktioniert sie bei jedem.
Soweit ich das überblicken kann, lassen sich alle Techniken ihrer Wirkung entsprechend in vier Kategorien aufteilen:
  1. Techniken, die durch Kraft wirken; 
  2. Techniken, die durch Energieübertragung / Impuls wirken; 
  3. Techniken, die durch Schmerz + Schmerzvermeidung des Gegners wirken; 
  4. Techniken, die durch Schock / Schreck des Gegners wirken (diese lassen sich schlecht trainieren, aber in der SV sprechen wir zumindest ab und zu mal verschiedene Varianten durch).
In Bezug auf die 1. Kategorie (und dass ist ja die, von der man meinen würde Frauen wären klar im Nachteil) hatte ich meinen ersten Aha-Effekt - lange bevor ich das erste Mal SV trainiert habe - beim Trainieren einer Empi-Technik.
Empi-Techniken sind Ellenbogentechniken. Meine erste Begegnung mit einer Empi-Technik war beim Schlagpolstertraining mit Michael, nachdem ich von meinen federleichten Faustschlägen ziemlich frustriert war.
Gleich mein erster Empi gegen den Schlagpolster-Träger sorgte dafür, dass der einen Meter zurücktaumelte und ich war begeistert. Empi-Techniken funktionieren bei jedem und sind wirklich leicht zu erlernen.

Bei den Techniken, die durch die Energieübertragung wirken, sind unter den besonders effektiven klassischen Karatetechniken natürlich auch Fußtechniken, allen voran Mawashi-Geri und Yoko-Geri.
Der Mawashi-Geri ist ein im Bogen getretener Tritt. Technisch ist er zwar sehr anspruchsvoll - ich bin mit meinem immer noch nicht wirklich zufrieden - aber selbst wenn er nicht perfekt ist, kann man damit einiges erreichen.

Der Yoko-Geri ist ein seitlich getretener Tritt, mit dem man eigentlich jeden auf sich zukommenden Gegner ausbremsen könnte.

Die Fußtechniken sind natürlich für eine größere Distanz zum Gegner, die Empi-Techniken sind für den Nahkampf.

Neben den klassischen Karate-Techniken, deren Ziel es ist zu zerstören, gibt es auch aus dem Bereich der SV viele Techniken, die unabhängig von der eigenen Kraft und Körpergröße funktionieren. Besonders Hebel, die entweder durch Schwung oder durch Schmerz wirken, sind sehr effektvoll und funktionieren mit wenig Kraftaufwand, besonders letztere dann oft auch unabhängig von der Körpergröße.

In einem Kampf ist es wichtig die Schwächen des Gegners zu erkennen und auszunutzen (z.B. auch Schmerz, Gleichgewicht etc.), und zwar unter Berücksichtigung der eigenen Stärken. Der Kampf findet im Kopf statt . Wenn man die beherrscht sind Äußerlichkeiten wie Größe und Kraft bedeutungslos.


* ob die Empi-Technik nun zu Kategorie 1 oder 2 gehört, sei mal dahin gestellt.

Freitag, 6. Mai 2011

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die nächste Gurtprüfung?

Es ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt, wenn der Freund oder die Freundin meint, es ist soweit. Auch finde ich es falsch, sich hier dem Gruppenzwang zu unterwerfen. Alle machen Prüfung, also mache ich sie auch.
Eigentlich gibt es nur eine Person, die diese Frage beantworten kann, man selber. Nur ich kann wissen, wann ich "bereit" bin, mich dieser Prüfung zu stellen. Mein Trainer kann mich dabei unterstützen, in dem er mir vermittelt, wann er glaubt, dass ich technisch so weit bin. Ohne diese Empfehlung würde ich niemals die Prüfung machen. In jedem Fall lohnt sich ein klärendes Gespräch.
Aber woran merke ich nun, dass ich "bereit" bin? Bei mir ist es so, dass ich mir nach jeder bestandenen Prüfung das nächste Prüfungsmaterial besorge. Dazu gehört, dass ich es mir von der DKV-Seite runterlage, ausdrucke und intensiv lese. In den folgenden Wochen und Monaten versuche ich langsam in meine Graduierung zu wachsen und Stück für Stück die neuen Techniken, die Kata, das Kumite zu lernen. Zu Beginn habe ich oft das Gefühl, einen riesigen Berg neuer Informationen vor mir zu haben, die weder mein Geist noch mein Körper umsetzen können. Aber es ist ja nicht so, dass ich alleine in der Halle stehe. Beim gemeinsamen Training werden die Techniken erarbeitet. Meistens kann ich zu erst meine neue Kata laufen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass mich diese einfach am meisten fasziniert. Ich könnte stundenlang zusehen, wenn unsere höheren Gurte ihre Katas laufen. Den Ablauf meiner Kata merke ich mir im allgemeinen sehr zügig, da ich ein ausgeprägtes Landmarkengedächtnis habe (d.h. ich assoziiere eine Bewegung mit einer Position im Raum, solche Bilder kann das Gehirn besser verarbeiten als pure Schrittmuster).
Bei der Grundschule ist das anders. Meist beruhen die Techniken auf denen der letzten Gurtstufe und werden nur erweitert. Manchmal übe ich wochenlang, um diese richtig zu koordinieren. Kämpfe mit dem Einsatz der Hüfte, hochgezogenen Schultern, falschen Kime, zu viel Kraft, zu wenig Körpereinsatz und Knien, die einfach nicht über den Obi wollen. Jetzt heißt es, am Ball bleiben und Einsatz zeigen. Bei jedem Training versuche ich ein anderes Problem auszumerzen. In dieser Phase sind meine Trainer mit ihrer Kritik sehr sparsam. Ich denke, sie wissen ganz genau, dass wir gerade gegen uns selbst kämpfen. Irgendwann platzt der Knoten. Die Hüfte schießt wie ein aufgezogenes Gummiband nach vorne, die Technik landet kraftvoll im Zielbereich, der Tritt räumt nicht alle Gartenzwerge der Stadt ab, sondern trifft halbwegs da auf, wo er hingehört. Die Arme sind da, wo sie hin müssen und wedeln nicht planlos durch die Gegen. Mein Kime ist stark und kräftig und wenn ich gut drauf bin, schaue ich sogar meinem imaginären Gegner ins Gesicht und untersuche nicht die Linien auf dem Hallenboden mit meinen Augen.
Jetzt bin ich aufnahmefähig für konstruktive Kritik, denn jetzt fühle ich mich auch in der Lage diese umzusetzen. Gerade Michael hat ein unglaubliches Gespür für diesen Zeitpunkt. Es geht nun ans Feintuning. Ein großer Fehler wäre nun, übermütig zu werden und zu glauben, alles zu können. Ich kann noch lange nicht alles. Ich beherrsche nun gerade mal ein gesundes Grundgerüst, an dem es lohnt zu arbeiten.
Langsam nähern wir uns dem Zeitpunkt, bei dem es Sinn macht, über die nächste Prüfung nachzudenken und darüber mit dem Trainer zu sprechen. Ich bin in die nächste Gurtstufe rein gewachsen und erfülle die Anforderungen. Das Gelernte muss nun durch stetiges Training ins Gehirn gemeißelt werden. Irgendwann wird sich die konkrete Möglichkeit für eine Prüfung zeigen. Ich mache zum Beispiel sehr gerne externe Prüfungen auf Lehrgängen. Nur ungern lege ich eine Prüfung im eigenen Stall ab. Ich brauche irgendwie den Kick, einem fremden Trainer zu beweisen, dass ich mich weiter entwickelt habe und an mir gearbeitet habe.

Irgendwann werde ich aber sicher mal bei Michael eine Prüfung ablegen, nur um mal zu sehen, wie er denn so ist, als Prüfer...

Dienstag, 3. Mai 2011

Trainieren mit höheren Gurten

Zu Beginn meines Trainings hatte ich davor eine Heidenangst. Würden die ganzen Oberstufengurte mich unerfahrenen Nullgurt (später Weißgurt, Gelbgurt, Orangegurt) nicht gleicht ungespitzt in den Hallenboden rammen? Völlig verkrampft und geistig blockiert stand ich in den ersten Wochen und Monaten vor einigen höheren Gurten und hoffte nur, dass es schnell vorbei sein würde und ich danach wieder mit jemandem trainieren kann, der meine Gürtelfarbe trägt. Das Randori sah eher aus, als ob ich weg rennen würde und nicht, als ob ich ernsthaft eine der gelernten Techniken anwenden würde. Mittlerweile bin ich ein Orangegurt, habe die Situation viele Male durchstehen müssen und kann sagen, so schlimm ist es gar nicht. Einer meiner Trainer hat einmal gesagt: "Wenn euch ein Dan-Träger zum trainieren auffordert, dann ist das eine Ehre und so was lehnt man nicht ab!" Dieser Satz hat mich tief getroffen und erst zum Nachdenken dann zum Umdenken gebracht. Wir sind hier schließlich nicht mehr in der Tanzschule, wo man den pickeligen Jungen mit der großen Nase einfach ignorieren kann. Mittlerweile freue ich mich, wenn einer der "Großen" mit mir "Kleinen" trainieren möchte und lasse mich bereitwillig darauf ein. Keiner hat mich bisher ungespitzt in den Boden gerammt, warum auch. Die Gefahr ist viel größer, dass ich ihn durch meine Unerfahrenheit, durch Überschätzen meiner Technik  oder hektische, ziellose Bewegungen verletze oder im Eifer mal zu heftig treffe. Das richtige Maß muss ich eben auch noch lernen.
Aber die meisten höheren Gurte geben sehr bereitwillig ihr Wissen und ihre Erfahrung an uns weiter. Seht es einfach als persönliches Coaching. Wie oft kommt es vor, dass ich vor einem Braun- oder Schwarzgurt stehe und er meine Grundschule, meine aktuelle Kata und mein Kumite wohlwollend korrigiert. Er macht das nicht, weil er mich ärgern will oder sich profilieren will, sondern weil er mir die Chance zum weiterentwickeln geben will. Der Trainer sagt eine Technik an, die ich noch nicht so gut oder sogar gar nicht kann? Macht nichts! Dein Partner erklärt sie dir gerne und übt sie mit dir. Langsam und in deinem Tempo. Er erwartet nicht, dass du sie perfekt beherrscht, aber er verlangt, dass du dich ernsthaft bemühst und ihm nicht die Zeit stiehlst.
Gestern stand ich plötzlich zwischen drei Schwarz- und einem Braungurt (alle vier auch noch gestandene Männer) und es wurde ein Kumite angesagt, von dem ich noch nie gehört hatte. Fünf Personen, einer in der Mitte, der Rest um ihn herum. Drehen zum Partner, der Äußere sagt eine Technik an und führt sie aus, der Innere wehrt ab und dreht sich weiter zum Nächsten. So geht es einmal herum, dann geht der nächste in den Kreis. Niemand hat von mir irgendeine wilde Kombination an Techniken erwartet. Ich habe mich auf das besonnen, was ich kann, habe eine "einfache" Technik angesagt und durchgeführt. Als ich dann im Kreis war, wurden einfache Angriffe gemacht, die ich mit dem, was ich schon konnte, sicher abwehren konnte. Hier zählt der Wille und das ernsthafte Bemühen.
Danach hatte ich die Möglichkeit, meine Prüfungskata zu laufen. Auch hier bekam ich von dem in der Reihe neben mir stehenden Braungurt ungefragt wertvolle Tipps, wie ich meine Technik noch verbessern könnte. Mit Eifer versuchte ich diese direkt umzusetzen. Zugegeben, es kostet mich jedes Mal Überwindung, vor einer oder mehreren Personen eine Kata zu laufen und zu wissen, ich werde beobachtet. Überwindet diese Angst, in der Prüfung wird es genauso sein. Alle werden dich anstarren, während du deine Bahnen läufst.

Ich bin mittlerweile dankbar für jeden "Großen", der sich die Zeit nimmt, um mir "Kleinen" etwas beizubringen und dem ich dann zeigen kann, dass ich den Sport ernst nehme und dass es mir eine Ehre ist, mit ihm trainieren zu dürfen.

Sonntag, 1. Mai 2011

Schlagen lernen...

Der Titel dieses Beitrages klingt etwas brutal, aber man möge beachten, dass dort steht: „Schlagen lernen“ und nicht „Zuschlagen lernen“. Denn ich möchte heute über das Erlernen einer richtigen Technik schreiben.
Beobachtet man Anfänger, sieht man oft, dass der gerade Fauststoß (Oi-Zuki) gar nicht geschlagen wird, sondern einfach nur der Arm mit der (oft noch nicht einmal komplett geschlossenen) Faust nach vorn gehalten wird. Das fällt dem Anfänger selbst nicht unbedingt auf, denn in der Grundschule läuft man ja einfach Bahnen und schlägt dabei in die Luft, und Luft liefert einem üblicherweise wenig Feedback ;-) .
Als ich Anfänger war, war ich gerade in der Pubertät und hob mir für Donnerstags die ganze Wut (auf Lehrer, blöde Typen, etc.) der Woche auf. Bei den Grundschultechniken stellte ich mir dann den Übeltäter der Woche vor und schlug zu. Also habe ich meine Schläge recht schnell mit geballter Faust, mit Muskelanspannung und mit Kampfgeist ausgeführt.
Ich war mir sicher, ich machte alles richtig. Und selbst wenn nicht, ging ich davon aus, dass soviel Kraft und Energie reichen müsste um jemanden umzuhauen.

Nachdem ich bereits einige Monate Training hinter mir hatte, trainierten wir zum ersten Mal mit Schlagpolstern (das sind dicke Schaumstoffpolster, die von einem Partner gehalten werden). Wir stellten uns in einer Reihe auf und sollten nacheinander aufs Polster schlagen.
Michael fing an, schlug zu, das Polster machte "Puffft!", als die Luft durch den Schlag herausgepresst wurde, der Partner (ein kräftiger Typ), taumelte etwas zurück, ächzte dabei und machte ein  unglückliches Gesicht.
Michael übernahm das Polster, dann war ich dran. Ich nahm meine ganze Kraft zusammen, schlug zu und das Polster machte ein enttäuschendes "Plöpp.", als meine Faust auf die Kunststoffbeschichtung traf. Ich war baff, das hatte ich nicht erwartet. Zeit blieb mir nicht darüber nachzudenken, denn Michael brüllte mich an: Stärker! Ich schlug nochmal - "Plöpp." - Mit Kiai! - "Plöpp." - Gib Gas! - "Plöpp." - Los! - "Plöpp." - langsam fing meine Faust an weh zu tun - Nochmal! Wieder "Plöpp." und meine Faust knickte schmerzhaft nach innen. Ich ging zur Seite und ließ den Nächsten ans Polster.

Eine alternative Übung funktioniert so, dass wir uns mit Faustschützern nebeneinander aufstellen. Der Erste geht dann die Reihe entlang und schlägt in Chudan (=Bauch) Höhe zu.
Diese Übung braucht Anfangs große Überwindung, man hat gar kein Gefühl dafür wieviel die Faustschoner abfedern und auch nicht wieviel Wiederstand wohl so ein Bauch bieten kann. Und man möchte natürlich niemanden umhauen, und natürlich glaubt man, dass man das auf jeden Fall tun würde, wenn man so zuschlägt, wie in der Grundschule. (Durch die Faustschützer wird der Schlag abgeschwächt und natürlich achtet jeder beim Schlagen darauf, wen man vor sich hat. Bei einem Weißgurt ohne Bauchmuskeln kann man ganz anders zuschlagen als z.B. beim Trainer. Außerdem gilt auch ein bißchen: je stärker jemand bei mir zuschlägt, desto stärker kann ich bei ihm zuschlagen.)
Auch bei dieser Übung grinste mich Michael regelmäßig nach meinem ersten Schlag an, gab mir zu verstehen, dass er nichts gespürt hätte und dass ich es noch mal versuchen sollte. Das Ganze war ziemlich frustrierend, man schlägt mit aller Kraft zu und der andere lacht...
Inzwischen weiß ich besser worauf es beim Schlagen ankommt: Man sollte hinter das Ziel zielen (durchschlagen), das Arretieren der Faust bringt zusätzlichen Schwung, und, ganz wichtig, der Einsatz der Hüfte bringt noch mal einen richtigen Boost. Beim Schlagen auf Chudan-Höhe zielt man auf den Solar Plexus.

(Der Freizeit-Schläger, der hier hoffentlich nicht mitliest, wird vermutlich lachen,) aber um das richtig zu lernen brauchte ich etliche Jahre, in denen ich immer mal wieder von Michael angebrüllt wurde: „Nochmal, mit Kiai!“
Wenn wir heute diese Übung machen, sagt Michael nichts, verzieht das Gesicht und muss selbst einen Kiai machen, wenn meine Faust (inkl. Faustschoner) auf seinen Solar Plexus trifft.
Trotzdem ist für mich der Oi-Zuki ausschließlich eine klassische Grundschul-Karate-Technik und keine, die ich bevorzugt im Ernstfall einsetzen würde, zuviele Faktoren (richtiger Stand, Abstand, etc.) müssen stimmen, damit sie wirkungsvoll ist.