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Montag, 16. Mai 2011

Grundschultraining ist langweilig...

Kündigt ein Trainer Grundschultraining an, ist oft ein gewisses Murren im Raum. Gelegentlich schnappe ich dann auf: „Och, das ist langweilig.“
Für die mitlesenden Nicht-Karateka: Grundschultraining bedeutet, dass man einzelne Techniken nach Ansage des Trainers immer wieder übt und dabei in Bahnen durch die Halle läuft (also z.B. 5x Oi-Zuki, dann Wendung dann 5x was anderes, usw.), immer hin und her.

Das Grundschultraining ist die einzige Möglichkeit sinnvoll die Koordination und das Finetuning von Techniken zu üben. Trainiert man mit einem Partner, muss man sich zusätzlich noch auf ihn konzentrieren und kann sich nicht 100% der Technik widmen.

Stellt man sich aber in die Halle und übt im Grundschultraining die Techniken ausschließlich mit Konzentration auf die Technik ist das erstens tatsächlich langweilig und zweitens leidet die Technik. Sie wird verkrampft, kraftlos und statisch. Dem Trainierenden geht es dann nur darum, z.B. das Knie hoch genug zu ziehen, den Arm nach vorn zu bringen, usw., aber ohne, dass ein tieferer Sinn dahinter steckt.

Im Training machen wir eine Technik immer erst ein paar Mal langsam und hier ist das beschriebene Vorgehen auch völlig ok. Der Kopf und der Körper soll die Bewegung üben und abspeichern. Hier, beim langsamen Üben konzentriere ich mich auf die genaue Ausführung der Technik (Hüfte, Fußstellung, Hand- und Armstellung, Drehung, Körperhaltung, Koordination, etc.).

Dann machen wir einen weiteren Durchgang, der vom Trainer meist mit „Schnell, stark, hart und jedes mal mit Kiai!“ angekündigt wird. Gerade bei Anfängern sieht man dann, dass sie einfach nur versuchen die gleiche Technik auf die gleiche Art und Weise schneller durchzuführen.
Das sorgt dann natürlich dafür, dass in kurzer Zeit die Konzentration weg ist (immerhin denken sie ständig an alle kleinen Details der Technik), dann wird es langweilig und beides sorgt für Misserfolg und Frust.
Ich denke, der zweite Durchgang ist nicht dafür da, die Technik einfach nur schneller zu machen. Sondern sie ist dafür da dem Gehirn beizubringen, wie sie im Ernstfall (soll heißen: Prüfung, Kumite, Kata) durchgeführt werden soll, nämlich mit Kime. In meinen eigenen Worten bedeutet Kime mit maximaler Energie (ausgelöst durch Arretieren und Atemtechnik) und Kampfgeist.

Wenn man aber die Techniken nur zum Selbstzweck läuft und allein in die Luft schlägt, wo soll dann Kime und Kampfgeist herkommen?
Es ist ganz einfach: Ihr braucht einen Gegner! Wie schon in meinem Artikel neulich beschrieben, stellte ich mir als Teenager immer den Übeltäter der Woche vor. Aber inzwischen hat mein Grundschul-Gegner schon seit Jahren kein konkretes Gesicht mehr. Er ist ungefähr 1,80m groß (da sonst die meisten größer sind als ich, habe ich mir auch fürs Grundschultraining einen größeren Gegner rausgesucht), blickt mir mal kampflustig, mal spöttisch (je nachdem wie gut meine Technik grad war) in die Augen und fordert mich heraus. Mein Gegner verkörpert jeglichen Ärger, den ich im Alltag in der letzten Zeit hatte.

Wenn es dann heißt: „Jetzt nochmal, schnell, stark, hart und jedes Mal mit Kiai“ manifestiert er sich vor mir und ich blicke ihm in die Augen (das ist viel einfacher, als bei einem echten Partner und schon starrt man nicht mehr die Gartenzwerge vor den eigenen Füßen an). Sobald es losgeht mit der Technik, vertraue ich darauf, dass die langsame Übung dafür gesorgt hat, dass mein Körper weiß welches Körperteil wann an welche Stelle gehört und wie es dahin kommen soll. Jetzt strebe ich technisch unter Umständen nicht die 100%-tige Perfektion an, sondern lasse meinen Körper einfach machen. Ich konzentriere mich auf eine kraftvolle Technik und das geht so, dass ich eigentlich an gar nichts denke außer daran, den Gegner vor mir mit meiner Technik zu treffen.
Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich bei den schnellen Techniken gerne aus Rumgealber heraushalte und mich lange Erklärungen des Trainers (und den daraus resultierenden Pausen) manchmal stören, denn meine Konzentration auf den Gegner wird dann gestört und das ist anstrengend.
Hat der entsprechende Trainer einen guten Tag und Spaß daran uns durch die Halle zu scheuchen, muss ich nur noch darauf aufpassen es nicht zu übertreiben (zum Glück haben auch unsere Trainer ein Auge auf uns und machen zwischendurch kleine Pausen).
Technik für Technik kämpfe ich dann mit dem Gegner. Der Wechsel zwischen langsamen Techniken und starken Techniken sorgt für kurze Erholungszeiten und für Abwechslung. Dadurch dass der Fokus zwischen technischer Perfektion und Kime wechselt, verbeißt man sich nicht so in Details und der Kopf bekommt zwischendurch eine Pause.

Nach einem solchen Training ist dann mein Kopf leer, der Alltagsärger verdaut und wie weggeblasen, mein Körper ist k.O., ich falle dann totmüde und glücklich ins Bett. Probiert es einfach mal aus und macht aus dem Grundschultraining ein Action Event!

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