Beitragende

Dienstag, 3. Mai 2011

Trainieren mit höheren Gurten

Zu Beginn meines Trainings hatte ich davor eine Heidenangst. Würden die ganzen Oberstufengurte mich unerfahrenen Nullgurt (später Weißgurt, Gelbgurt, Orangegurt) nicht gleicht ungespitzt in den Hallenboden rammen? Völlig verkrampft und geistig blockiert stand ich in den ersten Wochen und Monaten vor einigen höheren Gurten und hoffte nur, dass es schnell vorbei sein würde und ich danach wieder mit jemandem trainieren kann, der meine Gürtelfarbe trägt. Das Randori sah eher aus, als ob ich weg rennen würde und nicht, als ob ich ernsthaft eine der gelernten Techniken anwenden würde. Mittlerweile bin ich ein Orangegurt, habe die Situation viele Male durchstehen müssen und kann sagen, so schlimm ist es gar nicht. Einer meiner Trainer hat einmal gesagt: "Wenn euch ein Dan-Träger zum trainieren auffordert, dann ist das eine Ehre und so was lehnt man nicht ab!" Dieser Satz hat mich tief getroffen und erst zum Nachdenken dann zum Umdenken gebracht. Wir sind hier schließlich nicht mehr in der Tanzschule, wo man den pickeligen Jungen mit der großen Nase einfach ignorieren kann. Mittlerweile freue ich mich, wenn einer der "Großen" mit mir "Kleinen" trainieren möchte und lasse mich bereitwillig darauf ein. Keiner hat mich bisher ungespitzt in den Boden gerammt, warum auch. Die Gefahr ist viel größer, dass ich ihn durch meine Unerfahrenheit, durch Überschätzen meiner Technik  oder hektische, ziellose Bewegungen verletze oder im Eifer mal zu heftig treffe. Das richtige Maß muss ich eben auch noch lernen.
Aber die meisten höheren Gurte geben sehr bereitwillig ihr Wissen und ihre Erfahrung an uns weiter. Seht es einfach als persönliches Coaching. Wie oft kommt es vor, dass ich vor einem Braun- oder Schwarzgurt stehe und er meine Grundschule, meine aktuelle Kata und mein Kumite wohlwollend korrigiert. Er macht das nicht, weil er mich ärgern will oder sich profilieren will, sondern weil er mir die Chance zum weiterentwickeln geben will. Der Trainer sagt eine Technik an, die ich noch nicht so gut oder sogar gar nicht kann? Macht nichts! Dein Partner erklärt sie dir gerne und übt sie mit dir. Langsam und in deinem Tempo. Er erwartet nicht, dass du sie perfekt beherrscht, aber er verlangt, dass du dich ernsthaft bemühst und ihm nicht die Zeit stiehlst.
Gestern stand ich plötzlich zwischen drei Schwarz- und einem Braungurt (alle vier auch noch gestandene Männer) und es wurde ein Kumite angesagt, von dem ich noch nie gehört hatte. Fünf Personen, einer in der Mitte, der Rest um ihn herum. Drehen zum Partner, der Äußere sagt eine Technik an und führt sie aus, der Innere wehrt ab und dreht sich weiter zum Nächsten. So geht es einmal herum, dann geht der nächste in den Kreis. Niemand hat von mir irgendeine wilde Kombination an Techniken erwartet. Ich habe mich auf das besonnen, was ich kann, habe eine "einfache" Technik angesagt und durchgeführt. Als ich dann im Kreis war, wurden einfache Angriffe gemacht, die ich mit dem, was ich schon konnte, sicher abwehren konnte. Hier zählt der Wille und das ernsthafte Bemühen.
Danach hatte ich die Möglichkeit, meine Prüfungskata zu laufen. Auch hier bekam ich von dem in der Reihe neben mir stehenden Braungurt ungefragt wertvolle Tipps, wie ich meine Technik noch verbessern könnte. Mit Eifer versuchte ich diese direkt umzusetzen. Zugegeben, es kostet mich jedes Mal Überwindung, vor einer oder mehreren Personen eine Kata zu laufen und zu wissen, ich werde beobachtet. Überwindet diese Angst, in der Prüfung wird es genauso sein. Alle werden dich anstarren, während du deine Bahnen läufst.

Ich bin mittlerweile dankbar für jeden "Großen", der sich die Zeit nimmt, um mir "Kleinen" etwas beizubringen und dem ich dann zeigen kann, dass ich den Sport ernst nehme und dass es mir eine Ehre ist, mit ihm trainieren zu dürfen.

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