Beitragende

Dienstag, 26. Juni 2012

Das eigene Selbstbewußtsein

Seitdem ich wieder Karate trainiere, also seit 2,5 Jahren habe ich mich farblich immer mehr verändert. Gestartet bin ich mit dem Gelbgurt und nun trage ich den ersten Blaugurt.

Ich fühle mich immer noch näher bei den Weißgurten als bei den Schwarzgurten. Letztere sind gedanklich unerreichbar fern. Sicherlich habe ich bis heute eine ganze Menge gelernt, aber die Liste der Dinge, die ich noch lernen muss ist noch verdammt lang. Oft genug überkommt mich das Gefühl, es niemals zum DAN zu schaffen. Werde ich es jemals schaffen, tief genug zu stehen, hoch genug zu treten, sicher genug zu stehen, schnell genug zu reagieren? Werde ich irgendwann zufrieden sein mit meiner Leistung? Letztendlich ist es genau dieses Gefühl, was mich anspornt, immer weiter zu machen und geduldig die Steine weg zu schaffen, die sich immer wieder in den Weg rollen.

Vor ein paar Wochen hatte ich im Dienstagstraining ein Erlebnis, dass meinem Ego richtig gut getan hat und das mir gezeigt hat, dass ich doch was gelernt habe, in den letzten Jahren.
Torsten hatte Partnerübungen angesagt, es ging darum einen Schlag des Gegners in bestimmter Weise abzuwehren. Diese Art von Übungen macht Torsten häufiger zwischendurch, damit der Bewegungsablauf mehr und mehr eingeprägt wird. Er fängt dabei immer mit 2-3 Techniken an, die dann nach und nach erweitert werden. Diese und ähnlich Übungen kannte ich also schon und es fiel mir nicht allzu schwer diese umzusetzen. Irgendwann im Laufe des Trainings kam ich nach einem Partnertausch zu einem sehr netten, Anfänger-Weißgurt. Dieser war zur Abwechslung mal kein Überraschungsei. Freudestrahlend begrüßte er mich mit den Worten "Oh, endlich mal jemand, der mir das richtig zeigen kann". Ich war kurzzeitig irritiert. Da hat aber jemand eine hohe Meinung von mir. Er war unsicher, wollte alles richtig machen und machte gleich mal den typischen Anfängerfehler - er preschte los und ich musste mich dementsprechend heftig zur Wehr setzen. Das soll jetzt in keinem Fall arrogant klingen, aber ich kenne das Problem zu gut von mir selber. Wenn ich vor einem höhergurtigen Partner stehe und etwas nicht so gut kann, bin ich früher oft auch vorgeprescht und habe versucht "es möglichst schnell hinter mich zu bringen". Ich musste aber lernen, dass es sinnvoller ist, etwas langsam anzugehen. Also stoppte ich den ehrgeizigen Weißgurt mit den Worten "So, und jetzt erarbeiten wir uns die Technik Stück für Stück und das bitte langsam". Das was dann kam, war auch für mich nicht einfach. Gegen meine eigene Unsicherheit musste ich ihm die Sicherheit geben, dass ich weiß, was ich tue und dass ich ihn in keinem Fall verletzten werde. Und das alles in einer Form, dass er nicht sein Gesicht verliert und langsam aber sicher Vertrauen zu seinem Können gewinnt. Der arrogante Erklärbär ist hier eindeutig fehl am Platz.
Es klappte ganz gut. Nach kurzer Zeit konnten wir die Geschwindigkeit erhöhen und es sah schon richtig gut aus. Torsten kam vorbei, nickte nur kurz und ging weiter zum nächsten Paar. Meinem Gegenüber machte die Übung, nachdem er denn wusste, was er da machte, richtig Spaß. Beim Abgrüßen bedankte er sich sogar für meine Geduld.
Mit solchen Situationen kann ich noch nicht so gut umgehen. Man erwartet nun von mir, dass ich gewisse Dinge ohne große Ansage hin bekomme. Meistens funktioniert das auch ganz gut. Manchmal muss ich mich einfach nur mal trauen und vor allem mir selbst vertrauen, dass ich es schaffe.
Solche Erlebnisse, wie mit dem netten Weißgurt geben mir auf jeden Fall etwas mehr Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten. Auf diese Weise ist mir mal wieder klar geworden, dass ich kein Weißgurt mehr bin.

Montag, 25. Juni 2012

Überraschungseier

Normalerweise ist die Gürtelfarbe des Gegners so eine Art Ampelschema des vorliegenden Gefahrenpotentials. Weiß und Gelb bedeuten hier "Achtung Anfänger".  Der Gegner kann die angesagte Übung wahrscheinlich nicht perfekt umsetzen und es kann zu unkontrollierten und unbewusst heftigen Schlägen und Tritten kommen. Also aufpassen, Ruhe befahren und geduldig unterstützend zur Seite stehen. Auf keinen Fall nachtragend sein, wenn es mal zu einem blauen Fleck kommt. Immer daran denken, dass man vor nicht allzu langer Zeit nicht anders war.
Bei allen folgenden Farben sollten die jeweiligen Träger mehr und mehr wissen, was sie tun.

Aber gerade unsere vermeintlichen Weißgurte sind immer mal wieder für eine Überraschung gut, denn in der letzten Zeit enttarnen sich in unserem Verein immer mal wieder Weißgurte als Überraschungsei. 
Einige haben in ihrer frühen Jugend schon Karate trainiert und fangen nun nach langer Zeit wieder an, als Weißgurt. Die fallen dann natürlich durch Anfänger untypische Leistungen auf (Sascha und Carsten).

Andere Ü-Eier sind da schwerer zu entlarven. Sie fallen "nur" durch gute Körperhaltung, durch trainierten Körperbau und durch zügiges Umsetzen auf, was ja erst mal nichts ungewöhnliches ist. Die erste Kata zeigt dann wieder ganz deutlich den Anfänger, da es am Anfang für die meisten sehr schwer ist, sich den Ablauf zu merken um die Kata alleine durch zu laufen. Kommt man dann aber während des Trainings in "ihre Welt", wenn z.B. SV angesagt ist, entlarvt sich das weißgurtige Ü-Ei auf einmal als 1. Dan im Ju Jutsu, der einen theoretisch gnadenlos fertig machen kann, weil er dir beim Thema SV absolut überlegen ist (André).
Im letzteren Fall war ich Gott sei Dank durch meine eigenen Exkurse in seine Welt vor gewarnt ;-) Abgesehen davon ist gerade er niemand, der einfach drauf haut und seine "Machtposition" ausnutzt.

Es lohnt sich also immer, genau hin zu sehen, was man da gerade vor sich hat, denn im nächsten Moment könnte der Weißgurt freundlich grinsend über dir stehen, während ich Blaugurt am Boden liege und noch darüber nachdenke, wie ich da gerade hingekommen bin ;-)

Freitag, 15. Juni 2012

Kyusho außerhalb des Kampfsports

Seit Herbst spiele ich ja in einer Freizeitmannschaft Basketball. Nach anfänglichem schweren Start habe ich mich so langsam an das Zwergengefühl gewöhnt, dass mich hin und wieder zwischen den ganzen Riesen beschleicht und auch meine Mitspieler fangen so langsam an, an mein Potenzial zu glauben...
Mir macht es einfach Spaß hin und her rennen zu können und ich merke, dass ich strategisch immer besser werde und auch technisch kleine Fortschritte mache. Außerdem kommen 2,5 - 3h Basketball am Stück deutlich meiner Kondition zu Gute.

Schon oft musste ich feststellen, dass Basketball eine deutlich gefährlichere Sportart ist als z.B. Karate. Eigentlich verletzt sich jedesmal irgendwer so, dass er zumindest zeitweise pausieren, oder das Training ganz abbrechen muss.

Heute konnte ich im Training zum ersten Mal ein Kyusho k.O. erleben (irgendwas zwischen 1. und 3. Grad, das müsste Michael beantworten).

Ein Mitspieler sprang um den Ball zu erwischen und schlug dabei versehentlich beim Landen einem anderen Mitspieler mit der Armaußenkante seitlich in den Nacken (fragt mich nicht welche Punkte das nun sind, aber wir haben sie öfter im Training schon gehabt).

Er strauchelte, ihm war schwindelig, er brach das Spiel ab und setzte sich an den Rand. Als wir wenige Minuten später mit unserem Spiel durch waren, saß er immer noch da und ich rang mit mir, ob ich jetzt etwas sagen und gar eine Reanimation versuchen sollte oder nicht (so genau konnte ich mich nämlich auch gar nicht mehr erinnern, wie das geht, und ich wollte mich ja auch nicht so Vodoo-Zauber-mäßig total lächerlich machen).
Aber er sah so fertig aus und alle wissen eh schon, dass ich Karate mache und er saß etwas abseits von den anderen, also sprach ich ihn an und fragte wo er denn genau getroffen worden war, erklärte ihm kurz, was ich vermutete und was helfen könnte und bot ihm an die Reanimation zu versuchen (mit dem Hinweis, dass er ohne vermutlich tierische Kopfschmerzen bekommen würde und wenn's nicht hilft, wir es auf jeden Fall nicht schlimmer machen würden).
Er gab zu bereits Kopfschmerzen zu haben also legte ich los.
Ich sagte ihm er müsse sich in den Schneidersitz setzen. Völlig natürlich überkreuzte er sogar entspannt die Arme. Dann begann ich den Nacken zu massieren, auf diesen Punkt am Rücken zu schlagen und im Bogen über den Rücken zu streichen (den Kringel am Kopf hatte ich leider vergessen).
Beim dritten (leichten) Schlag auf den Rücken merkte ich sogar dieses "wieder wach werden" von ihm, massierte den Nacken dann noch mal und sagte: "Naja, ein Versuch war es wert, mal sehen ob's was bringt!"
Aber er versicherte mir, dass die Kopfschmerzen schon jetzt deutlich besser wären (und ich habe nicht so doll auf den Rücken geschlagen, dass er mir alles erzählt hätte, nur damit ich aufhöre :-) ).

Ich muss ja sagen, dass ich mich freue mich getraut zu haben, und dass es scheinbar geholfen hat, obwohl meine Technik nicht perfekt war.
Wir müssen die Reanimation wohl noch mal mehr üben...

Auf jeden Fall ist das Thema nach wie vor spannend und irgendwie auch beeindruckend!