Beitragende

Sonntag, 26. Juni 2011

Wow!

Gestern fand bei uns im Verein ein Selbstverteidigungslehrgang von unserem Landestrainer für Selbstverteidigung (genannt Teddy) statt. Vor zwei Jahren hatte ich schon mal teilgenommen und seit Wochen stand für mich fest: Dieses Jahr bin ich dabei! (Wir haben sogar unseren Urlaub zwei Wochen nach hinten geschoben...)

Teddy sieht nicht aus wie ein Teddy. Das sollte einfach mal gesagt werden. Teddy ist ungefähr so groß wie ich (also etwa 164cm) aber er hat eine Ausstrahlung als wäre er locker 190. Er ist ungefähr Mitte 50 und der drahtigste, trainierteste Mensch, den ich kenne. Jedesmal, wenn ich ihn sehe, denke ich unwillkürlich an so einen amerkanischen Army-Typen, der laut brüllend und ohne Rücksicht auf Verluste seine Leute herumkommandiert.
Aber wider Erwarten ist sein Training nicht geprägt von Herumschreierei und Antreiberei. Im Gegenteil, man erhält einfach die Gelegenheit sehr detailliert und perfektionistisch an sich selbst zu arbeiten. Und gerade diese Liebe zum Detail gefällt mir so gut.
Er liebt seine Show. Aber die Show ist so gut, wer würde sie nicht lieben. Und er steht hinter dem was er sagt und tut. Nur dadurch, dass er seine Erklärungen tatsächlich mit Vorführungen untermauert, glaubt man es überhaupt. In den ganzen Stunden saß ich immer wieder vor ihm auf dem Boden und staunte mit wie wenig Kraft und wie wenig Körpereinsatz eine Abwehr möglich ist. „Einfach“ nur durch perfektes Timing und Selbstkontrolle.
Man kann das kaum in Worte fassen, man muss das einfach mal selbst mitgemacht haben. Trotzdem versuche ich unseren Tag zu schildern:


In familiärer Atmosphäre kamen gestern viele Kampfkünstler aus verschiedenen Stilrichtung fanden zusammen, was noch mal einen besonderen Reiz ausmacht. Wir hatten Teilnehmer aus AKS, Shotokan, Aikido, Jiu-Jutsu und sicherlich waren noch viele andere Kampfkünste vertreten.
Diese Vielfältigkeit zeigte sich schon sofort beim Betreten der Halle. Statt ausschließlich weißer Gis, sah man Schwarze, Schwarz-Weiß-Kombinationen, usw..
Da Teddy im Stau festsaß fing Michael erst mal mit dem Training und der Begrüßung an. Wir machten „zum Warmwerden“ ein paar Greif- und Hebeltechniken.

Irgendwann blickte ich auf und erkannte sofort, dass Teddy da war. Jedesmal wieder bin ich auf den ersten Metern eines Trainings von seiner Aura - sagen wir mal - eingeschüchtert. Wenn ich ihn dann aber „arbeiten“ sehe, verfliegt diese Eingeschüchtertheit und in mir macht sich jede Menge Respekt aber vor allen Dingen Begeisterung breit.
Aber der Reihe nach:
In seiner kurzen Begrüßungsrede kündigte Teddy „zum Warmwerden etwas Gymnastik“ an. Unwillkürlich musste ich an unsere Rückenschule bei Torsten denken. Und als Teddy dann auch noch prophezeite „ihr werdet mich hassen“, bereitete ich mich auf das Schlimmste vor.
Das Schlimmste kam aber nicht, aber fast ;-) . Trotzdem machte Teddy mit uns ein schier unglaubliches Programm aus verschiedenen Gelenkigkeitsübungen, diversen Liegestützvarianten und Übungen für das Gleichgewicht. Er machte diese jedesmal mit einer solchen Leichtigkeit vor, dass ich einfach nur verblüfft war. Z.B. fingen wir sämtliche Liegestützvarianten tatsächlich im Liegen mit dem Hochdrücken an. Für eine Variante sollten wir aus Handflächen und Daumen ein Dreieck formen, und dieses Dreieck unter unseren Bauchnabel platzieren um uns dann hochzudrücken. Ich brauchte allein fünf Anläufe um überhaupt herauszufinden, wie ich meine Hände im Liegen so unter meinen Bauchnabel bekomme. Von Hochdrücken konnte dann gar keine Rede sein.
Je mehr Zeit verging, desto abgefahrener wurden die Übungen und mich wollte gerade die Verzweiflung packen. Doch ich sah mich um und stellte fest, dass sogar die Dan-Träger ihre Schwierigkeiten hatten. Melanie begann zu schimpfen und drohte wieder zu gehen und ich hatte wirklich Angst, dass sie mich hier allein stehenlassen würde. Das Ganze gipfelte dann in einer Übung, bei der sich einer dicht mit dem Gesicht zur Wand stellen musste, und zwei andere dann versuchten ein Bein möglichst weit nach oben zu bekommen. Teddy hatte sein Bein in Nullkomma-Nix neben seinem Kopf und beteuerte, dass wäre alles nur eine Sache der Entspannung....
Weiter ging es mit Karate nach biomechanischen Grundsätzen. Darunter konnte ich mir gar nichts vorstellen. Aber Teddy zeigte uns Standard-Karate-Techniken im Hinblick auf unseren eigenen Körper. Also, wie führe ich die Technik möglichst präzise, gesund und gelenkschonend aus, so dass maximale Energie übertragen wird. Dabei musste ich unwillkürlich ans Kart-Fahren denken. Dort sagte nämlich mal ein Rennleiter zu uns Amateuren: „Wenn ihr in den Kurven rutscht und die Räder blockieren seid ihr langsam.“
Genauso ist es im Karate ja auch. Wenn man eine Technik zwar macht, aber dabei Gelenke in einer Art belastet, für die sie gar nicht gemacht sind, schadet das nicht nur dem Gelenk sondern auch der Technik.
Ich habe die Hoffnung, dass ich durch einen optimierten Mae-Geri vielleicht sogar etwas meinen Knieproblemen auf die Spur gekommen bin.
Natürlich ging es wie immer auch hier um Hüfteinsatz. Eine Partnerübung lautete, dem Partner mit der Hand auf die Schulter / das Schlüsselbein zu klatschen und dann das ganze noch mal mit Hüfteinsatz zu versuchen.
Als Teddy das an einer Grün-Gurtin vorführte, taumelte diese nach dem Schlag rückwärts in meine Arme, obwohl ich zwei - drei Meter hinter ihr stand. Zu meiner Überraschung hatte sie soviel Schwung, dass ich es noch nicht mal schaffte sie aufzufangen sondern auch ich plötzlich ins Taumeln geriet und wir wie Dominosteine gegen Melanie plumpsten, die uns dann beide festhielt.
Melanie und ich machten die gleiche Übung dann zusammen und schon die Schläge ohne Hüfteinsatz waren alles andere als angenehm. Mit Hüfteinsatz war das so heftig, dass wir nach 1x links und 1x rechts beschlossen einfach nur ganz locker weiterzumachen. Leider sah uns Teddy genau in dem Moment und hatte den Eindrück, wir würden die Technik falsch machen.
Er zeigte zuerst Melanie und dann mir, wie das richtig funktioniert. Als seine Hand mit Hüfteinsatz gegen meine Schulter knallte, taumelte ich zurück und war von der Wucht tatsächlich kurzzeitig etwas benommen. Ich fühlte mich, als wäre ich von einem Auto angefahren worden. Die Wucht ging mir im wahrsten Sinne des Wortes durch Mark und Bein und ich prüfte erst mal nach Innen, ob denn noch alle Körperteile da waren, wo sie hingehörten.

In der zweiten und dritten Trainingseinheit ging es dann um SV und die Abwehr von Schlag- und Greif-Techniken.
Ich trainierte mit Melanie zusammen. Zuerst übten wir Abwehr von Schlägen und folgende Wurf-/Hebel-Möglichkeiten. Dafür zitierte sich Teddy einen Angreifer nach vorn und führte verschiedene Varianten vor.

Dabei war es immer wieder erstaunlich, wie sehr die Angreifer sich plötzlich wie Puppen verhielten und nicht anders konnten, als das, was Teddy mit ihnen tat geschehen zu lassen. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass man eine solche Perfektion nur nach jahrzehntelangem Training erreichen kann. Aber wenn man sich jedesmal nur ein wenig davon merken und umsetzen kann, hat man schon eine ganze Menge gelernt.
Mit Melanie versuchte ich das Gezeigte umzusetzen. Dabei griffen wir zwischendurch immer mal wieder auf die Expertiese der um uns versammelten Schwarzgurte zurück. Bald schon flogen wir beide abwechelnd auf die Matten oder warfen andere Schwarzgurte um.


Da alle übten musste man als Verteidiger schon aufpassen, dass der Ziel-Mattenplatz des Angreifers nicht schon belegt war.
Am meisten beeindruckt hat mich der Moment, als Teddy vor einem 2-Meter-Mann stand (seine Nase war auf Höhe des Brustbeins). Er kniete sich hin, um sich noch kleiner zu machen und schaffte es trotzdem scheinbar spielend den anderen zu Boden zu bringen. Schade, dass man das nicht öfter Üben kann als einmal im Jahr!
Es war ein wirklich toller Tag, den viele von uns dann gemeinsam gemütlich beim Chinesen ausklingen ließen!



Meine persönlichen Highlights waren folgende:
  • Zu beobachten, wie man es schafft ohne einen Finger zu rühren ca. 30 Männer gleichzeitig erbleichen und schmerzhaft das Gesicht verziehen zu lassen. (Ich sage nur „eine Kugel ganz fest packen und festhalten...“)
  • Zu sehen, wie Melanie völlig entspannt ohne Berührungsängste SV trainierte - das hast du super gemacht!
  • Viele Dan-Träger haben oft schon allein durch ihr trainiertes Äußeres eine bedrohliche Ausstrahlung. Aber jeder einzelne ist meist ganz nett, wenn man sich traut sie anzusprechen.
  • Der Körper folgt immer dem Kopf - eine echt praktische Sache für Selbstverteidigung
  • Fühlen ist schneller als Sehen - das wurde uns eindrucksvoll vorgeführt.
  • Ist der Angreifer zu groß für einen, muss man ihn sich auf Arbeitshöhe herunterholen.
Ich freue mich schon auf das nächste Mal!

1 Kommentar:

  1. Na das hört sich aber nach ganz viel Spaß und tollen Lernerfahrungen an! Ist schön mal wieder Fotos von Euch zu sehen.
    Liebe Grüße aus Berlin an den Verein!
    Kathrin

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