Beitragende

Sonntag, 26. Juni 2011

Ich hab es tatsächlich getan...

... ich war auf einem Selbstverteidigungslehrgang! Und sogar nicht auf irgendeinem. Der Bundesreferent für AKS und Landestrainer für Selbstverteidigung im KV Niedersachsen "Teddy" war bei uns.
Ich gebe zu, ich habe bis zum Schluss an meinem Verstand gezweifelt, aber wenn ich etwas anfange, dann ziehe ich es auch durch.
Unser Trainer Michael, der den Lehrgang organisiert hat, hatte bereits Monate vorher Werbung gemacht, was mich bis vor ca. zwei Wochen aber herzlich wenig interessiert hat. Und wenn der Papst gekommen wäre, mich hätten damals keine zehn Pferde dahin bekommen. Ich kann gar nicht genau sagen, wann ich beschlossen habe, dort hin zu gehen, aber es war in jedem Fall nach meiner letzten Prüfung.
Nun stand ich also vor dem Anmeldungstisch zusammen mit Sandra und es gab kein zurück mehr. Nach und nach trafen noch einige andere Mitglieder meines Vereins ein und auch von anderen Vereinen aus der näheren und weiteren Umgebung kamen Busse angefahren. Pünktlich um 11 Uhr standen wir alle in der Halle und warteten auf den Trainer. Dann meldete sich Michael zu Wort und erklärte, dass der Trainer im Stau stehen würde und vorerst nicht kommen würde. Bevor sich große Enttäuschung breit machte, begann Michael mit dem Aufwärmtraining und einigen einfachen Übungen. Ich hatte mir schon im Vorfeld Sandra als Trainingspartnerin gesichert und wir begannen mit den Übungen. Da Sandra schon einige Erfahrung mit diesen Techniken hatten und sie mir alles schön erklärte, lief es eigentlich ganz gut.
Mit über einer Stunde Verspätung kam dann Teddy in die Halle gelaufen. Wie der zu seinem Namen kommt, ist mir schleierhaft, denn so stelle ich mir keinen Teddy vor. Er war weder dick noch schien er besonders gemütlich zu sein. Er war ganz im Gegenteil klein und drahtig, mit Ecken und Kanten und hatte eine Ausstrahlung, die mindestens die ganze Halle füllte. Er wirkte auf mich, als ob er gerade vom Truppenübungsplatz angerückt kam. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich sogar etwas Angst vor ihm oder zumindest einen Heidenrespekt. Schon beim Aufwärmen war mir klar, dass nun ein ganz anderer Wind wehte. Ich war in einem Bootcamp gelandet! Unglaublich, wie gelenkig ein Mann in seinem Alter sein kann, aber ich habe niemanden unter den anderen ca. 40-50 Anwesenden gesehen, der diese Übungen auch nur annähernd nachmachen konnte. Ganz ehrlich, ich habe mehrfach darüber nachgedacht, die Halle zu verlassen und das auch ziemlich offen ausgesprochen. Eigentlich haben mich nur mein Stolz und Sandras Sorgenfalten diese Tortour überstehen lassen. 
Aber irgendwann war auch das überstanden und ich gab mir persönlich noch eine Frist von einer halben Stunde. Wenn das Training so weitergehen würde, dann würde ich tatsächlich die Halle verlassen müssen, um nicht Montag auf allen Vieren zur Arbeit kriechen zu müssen. Um es vorweg zu nehmen, ich bin bis zum Ende der letzten Einheit geblieben. Und die nächsten drei Trainingseinheiten vergingen für mich wie im Flug.
Er begann mit einer Einheit "Kihon nach biomechanischen Grundsätzen". Schon im Vorfeld habe ich gerätselt, was wohl dahinter stecken konnte. Letztendlich ging es darum, die Kraft des eigenen Körpers so einzusetzen, dass man auch in hohem Alter noch auf den eigenen Beinen stehen kann und sich nicht bereits vorher alle Gelenke zerstört hatte. Interessanterweise gewannen dabei die gezeigten Techniken, wie der Mawashi-Geri oder der Gyakuzuki deutlich an Durchschlagkraft. Nach jeder Erklärung ließ er uns genügend Zeit, um alles mit dem Partner (Sandra stand immer noch bereitwillig neben mir) zu üben. Teilweise war es schwer, dass Gehörte umzusetzen aber wie auch sonst im Training, wird sicher noch einiges Nachwirken.
Nach einer kurzen Pause, in der wir uns mit Brötchen, Donuts und Getränken stärken konnten und uns mit Mitgliedern anderer Vereine austauschen konnten, ging es mit den nächsten Trainigseinheiten weiter. Stück für Stück wurden Sequenzen an Abwehr- und Verteidigungsmechanismen von Teddy mit "freiwilligen" Opfern vorgestellt um dann anschließend ausgiebig geübt zu werden. Mit viel Eifer probierten Sandra und ich die Techniken aus und waren so manches Mal froh, wenn wir von den neben und trainierenden AKS-lern unterstützt wurden. Bereitwillig erklärten sie uns immer wieder die eine oder andere Technik und übten sie mit uns so lange, bis wir sie sicher beherrschten. Die ganze Atmosphäre war mittlerweile von Bootcamp zum Familienausflug umgeschwenkt.
Was ich für mich mitgenommen habe ist, dass Kraft nicht alles ist. Wichtig ist, dass man sich den Gegner, auch wenn er groß ist, auf Arbeitshöhe herunter holt. Dies hat Teddy sehr eindrucksvoll bewiesen, in dem er (ca. 1,65m klein) sich den größten Mann (über 2m) schnappte, sich vor ihm hin kniete und ihn nach einem Angriff gekonnt auf die Matte donnerte. Manchmal waren es nur kleinste Handbewegungen und Griffe, die über das Gelingen einer Technik entscheiden. Immer wieder wies er darauf hin, dass es wichtig ist, die Bewegung des Gegners weiterzuführen und für die eigene Abwehr zu nutzen. Die Abläufe waren alle nicht kompliziert, dafür aber nicht weniger wirkungsvoll. Dieser Ansatz ist gerade für uns Frauen gut nachvollziehbar und durchaus machbar. 
Es hat Spaß gemacht und wenn ich ehrlich bin, war ich ziemlich begeistert (wenn man mal den Bootcamp-Teil) ausklammert. Vielen Dank an Sandra, die es bis zum Schluss mit mir ausgehalten hat.
Nebenbei haben wir noch den Kontakt zum lokalen Ju-Jutsu-Verein geknüpft, von dem einer der Trainer am Lehrgang teilgenommen hatte. André hat Sandra und mich zu einer Probestunde eingeladen, um uns mal seine Kampfkunst näher zu bringen. Dieser Einladung werden wir nach den Sommerferien gerne nachkommen.
Der Tag endete beim lokalen Chinesen, wo immer noch voller Begeisterung erzählt und reflektiert wurde. Vollkommen erledigt bin ich abends in mein Bett gefallen.

Ich habe es getan. Ich habe mich meiner Angst gestellt und sie wieder ein Stück bezwungen. Und ganz nebenbei hatte ich einen schönen und sehr lehrreichen Samstag, an den ich sicher noch lange zurück denken werde.

Teddy, du bist echt eine Type, die man nicht jeden Tag trifft. Ich bin fasziniert von dem, was du uns vermittelt hast. Nächstes Jahr bin ich ganz sicher wieder dabei!

Michael, danke dass du das alles für uns organisiert hast und dass du mir die Zeit gelassen hast, meinen Weg zu finden und den Zeitpunkt selber zu bestimmen, wann ich SV in mein Karate-Leben lasse. Ich denke, du wusstest von Anfang an, dass ich schon längst Feuer gefangen habe.  

Selbstverteidigung, dicke Freunde sind wir auch an diesem Wochenende nicht geworden und ich habe immer noch ganz schön Angst und Respekt vor dir. Aber mittlerweile finde ich dich schon ganz schön cool und könnte mir durchaus vorstellen, mehr Zeit mit dir zu verbringen.

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