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Sonntag, 22. Januar 2012

Karate - ist das nicht eine Sportart, wie jede andere auch?

Ich mache schon so lange Karate, dass ich lange Zeit gar nicht mehr darüber nachgedacht habe, ob es einen Unterschied zwischen Karate (bzw. Kampfsport allgemein) und anderen Sportarten gibt. Seit ein paar Wochen gehe ich aber einmal in der Woche zum Basketballtraining - einfach weil es mir Spaß macht und ich das Gefühl habe, dass mir die gebotenen Trainingsmöglichkeiten im Karate aktuell nicht ausreichen um meinen Bewegungsdrang zu befriedigen.
Das hat dazu geführt, dass ich das Karatetraining wieder mit ganz anderen Augen sehe. Das besondere am Karate ist, dass jeder in jedem Training vordergründig akribisch und perfektionistisch daran arbeitet sich zu verbessern. Das erfordert durchgängige Konzentration während der Trainingseinheit und Durchhaltevermögen über Jahre. Selbst nach Jahrzehnten Kampfsporttrainings gibt es immer noch Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen.
Ich sage nicht, dass Basketball einfach ist. Im Gegenteil, ich befinde mich dort aktuell als Gelbgurt unter einer Horde meist riesiger Blau- bis Schwarzgurten (natürlich sieht das keiner außer mir :-) ). Aber es besteht aus einer Handvoll Techniken, wenn gespielt wird, dann geht es um den Sieg, um eine gute Strategie in Verbindung mit einer ordentlichen Teamleistung, aber nicht vordergründig um die Weiterentwicklung der Techniken jedes einzelnen. Ich glaube, ich bin dort die einzige, die nach einem Spiel eigentlich nie weiß, welche Mannschaft gewonnen hat. Einfach, weil es nicht wichtig für mich ist. Für mich ist wichtig, ob meine Mannschaft gut gespielt hat und ob ich besser gespielt habe, als beim letzten Mal.
Für einen Außenstehenden mögen die Gürtelstufen im Kampfsport befremdlich / überflüssig erscheinen, für  mich waren sie viele Jahre selbstverständlich. Im Kampfsport kann jeder an meinem Gürtel erkennen, was er von mir erwarten kann. Trainiere ich selbst mit einem Gelbgurt, gebe ich diesem ganz andere Tipps als einem Grüngurt. Wenn ich meine eigene Leistung vergleichen möchte, tue ich das, indem ich mich an den Karatekas mit gleicher Gürtelfarbe oder vielleicht eine Stufe höher messe. Das gibt ein ganz anderes Selbstvertrauen, als wenn man sich als Weißgurt schon an einem Danträger messen müsste und dann gefühlt als Depp dastehen würde. Was nicht heißen soll, dass ich nicht mit einem Danträger trainieren würde, im Gegenteil: Das ist super, da lernt man nämlich am meisten. Aber ich würde nicht von mir erwarten annähernd so gut zu sein wie der Danträger und ich hätte auch nicht die Vorstellung, dass der Danträger von mir erwartet so gut zu sein, wie er selbst.
In anderen Sportarten (mit "unsichtbaren" Gürteln) hat man diese Möglichkeiten nicht und ich persönlich bin halt der Typ, der sich durch die vermeintlichen Erwartungen anderer unter Druck setzen lässt.
Ich habe mich eigentlich viele Jahre als unsportlich empfunden. Nur Karate lag mir irgendwie immer. Aber ich glaube ich bin einfach kein Autodidakt im Sport. Es fällt mir leichter, wenn mir Bewegungen und deren Sinn erklärt und immer wieder detailliert vorgeführt werden. Da kommt mir das Karatetraining natürlich entgegen.
Früher habe ich in anderen Sportarten mit anderen Vorgehensweisen im Training, entweder nicht die Gelegenheit (z.B. im Schulsport) oder selbst nicht das Durchhaltevermögen gehabt, festzustellen, dass ich trotzdem besser werden kann. Es dauert nur einfach länger.
Seit letzter Woche habe ich beim Basketball so langsam das Gefühl, dass ich kleine Fortschritte mache. Ob die für die anderen schon spürbar sind, weiß ich nicht. Aber ich merke, dass ich beim Spielen eine etwas bessere Übersicht habe und entspannter werde.
Als Karateka trainiert man einen Gegner im Auge zu behalten, seine Bewegungen vorherzusehen und das eigene Vorhaben möglichst nicht zu offenbaren. Und ich bin (noch) nicht besonders gut im Freikampf.
Beim Basketball muss man plötzlich 10 Leute im Auge behalten und zwar am besten so, dass die gegnerischen Fünf davon nichts mitbekommen. Damit war ich zu Beginn heillos überfordert. Es gelingt mir immer noch nicht besonders gut, aber in winzigen Schritten geht es vorran, das macht Mut.

Zusammenfassend kann man sagen, dass gerade für Leute die z.B. im Schulsport "festgestellt" haben, dass Sport nichts für sie ist, Kampfsport ein Versuch wert ist, da sich die Trainingsmethoden erheblich von denen in anderen Sportarten unterscheiden.

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