Beitragende

Mittwoch, 23. Mai 2012

Am Ende der Kräfte?

Montagstraining nach einer Woche mit zwei statt drei Trainingseinheiten, langes Wochenende. Es ist warm, nein, es ist drückend heiß. Die Fußballer vor uns haben ihre Duftmarken hinterlassen. Freude über bekannte Gesichter und seltene Gäste. Schnell die Mannschaften fürs Aufwärm-Basketball wählen. Nach dem Spiel läuft der Schweiß bereits in Strömen. Kaum Zeit zum Verschnaufen.
Torsten ist gut gelaunt, d.h. in Boot-Camp-Stimmung. Eine Bahn folgt der anderen, anstatt Yame zehn Liegestützen, gefolgt von dreißig Sit-Ups. Wieder vernünftig aufstellen. Bloß nicht anmerken lassen, dass mein Magen schon rebelliert. Darüber freuen, dass die Tür hinter mir auf ist und hin und wieder ein Hauch frische Luft in die Halle weht. Darauf hoffen, dass der Trainer neben mir nicht auf die Idee kommt, die Tür zu schließen. Weiter Bahnen laufen. Mehrfach-Techniken, wild gewürfelt, anspruchsvolle Kombinationen, die man sich erst mal merken muss. Aber wir machen das ja nicht das erste Mal. Torsten sieht alles. Tief stehen, nicht so verkrampft. Mein Körper streikt. Ich wage es die vier verbotenen Wörter auszusprechen: Ich kann nicht mehr! Torsten schreit mich an. Hier wird nicht aufgegeben! Natürlich kannst du noch.
Zusammen reißen. Weiter gehts. Statt Yame wieder zehn Liegestützen, gefolgt von dreißig Sit-Ups. Arme und Beine sind wie Gummi, ich reiße mich zusammen um nicht brechen zu müssen. Literweise rinnt der Schweiß, ich habe aufgegeben ihn abzuwischen. Ich kämpfe weiter, obwohl ich schon lange nicht mehr kann. Versuche immer wieder das Knie über den Obi zu bekommen, obwohl ich am Ende meiner Kräfte bin. Noch vor ein paar Tagen mit Torsten diskutiert, dass ich noch so vieles erreichen möchte. Stolz gewesen, dass er gewillt ist, mich bis zum Dan zu begleiten. Alles aus mir raus zu holen, gemeinsam an meinen Fehlern und Problemen zu arbeiten. Die Erkenntnis gewonnen, dass es mir egal sein muss, was andere in meiner Gurtstufe machen. Beschlossen, mich nur noch um mich selber zu kümmern. Mordgedanken, Hassgefühle, in meinem Kopfkino erschlage ich meinen Trainer gerade mit einem Hanbo. Schäme mich für meine Gedanken. Ich habe es ja nicht anders gewollt.
Mein Körper streikt, nichts geht mehr, meine Lunge brennt, ich hab das Gefühl zu ersticken, noch eine Bahn und ich muss brechen. Während meine Augen den kürzesten Weg auf die Wiese suchen - Yame. Ungläubig grüße ich ab. Versuche wieder Luft zu bekommen, meinen Magen davon zu überzeugen, dass das Abendessen drin bleibt.

Es folgt Bunkai für die Prüflinge. Stelle mich bereitwillig Sandra zur Verfügung. Stelle fest, dass ich schon wieder alles verlernt habe, was mir André beigebracht hat, fange den Fall mit dem linken Handgelenk ab. Sandra verzieht das Gesicht. Kurzer Check, Handgelenk voll beweglich, nichts kaputt. Weiter gehts. Sandra vermeidet im weiteren Verlauf mich noch einmal fallen zu lassen. Nach der Bunkai hoffe ich auf ein schnelles Abgrüßen. Torsten hat andere Pläne. Tiefer Kiba-Dachi und Zukis schlagen. Jeder in der Reihe muss fünf abzählen. Ich verfluche jeden, der zum Training gekommen ist. Immer wieder ermahnt er uns, tief zu stehen. Die Oberschenkel brennen. Ich schaff das, bloß jetzt nicht aufgeben. Endlich hat auch die Letzte ihre fünf Zukis gezählt. Yame. Nur mit großer Anstrengung kann ich mich wieder hinstellen. Abgrüßen, Stunde beendet.
Enttäuschende Erkenntnis, das meine körperliche Grenze erreicht ist. Es ging nichts mehr. Ist das das Ende? Schon bei meiner letzten Prüfung bin ich konditionell an meine Grenze gestoßen. Die Gangart wird immer härter werden. Außerdem gilt es noch diverse Altlasten auszumerzen und neue Techniken zu lernen. Voller Selbstzweifel verlasse ich die Halle. Die Enttäuschung ist riesengroß. Muss ich jetzt aufgeben? Habe ich den Punkt erreicht, von dem der Holzmichel immer gesprochen hat. Er hat immer gesagt, dass sich zwischen den beiden Blaugurtprüfungen entscheidet, ob es weiter geht oder nicht. Noch einen Tag vorher dachte ich, ich schaffe das. Ich bin schon das Kumite meiner nächsten Prüfung gelaufen, die Partnerübung zum Freikampf und kenne grob den Ablauf der Heian Godan. Ich dachte, den Rest schaffe ich auch noch. Der Spiegel und ich sollen auch in Zukunft Freunde bleiben.

Trotz angekratztem Selbstbewusstsein und merklicher körperlicher Schwäche am Dienstag zum Training geschleppt. Wieder die guten Vorsätze ins Gewissen gerufen, mich nicht um die Anderen zu kümmern und versucht sie zu ignorieren. Partnertraining wurde angesagt. Als ich sah, dass Peter frei stand, kurz Pro und Contra abgewägt und dann zu ihm gestellt und gefragt, ob ich mit ihm trainieren darf. Er war einverstanden. Ich hätte mein Training einfacher gestalten können, aber ich habe mich fürs Lernen entschieden. Peter kritisiert seit einigen Wochen offen meine Technik. Ich habe signalisiert, dass ich diese Kritik sehr ernst nehme und daran arbeiten möchte. So stehe ich vor ihm. Er ist geduldig. Lässt es mich immer wieder versuchen, obwohl er selber vor einer wichtigen Prüfung steht. Versuche alles aufzunehmen, was er mir sagt. Versuche alles umzusetzen. Ich will ihn nicht enttäuschen. Es ist schwer, Dinge zu ändern, die schon fest im Gehirn verankert sind. Zieh die Hikite-Faust vernünftig zurück. Der Ellenbogen soll dabei nicht sichtbar sein. Steh vernünftig. Kime. Der Fuß beim Ushiro-Geri muss senkrecht stehen, nicht schief. Zieh das Knie hoch. Verwende die Hüfte beim Gyaku-Zuki. Ich will ihm und meinem Trainer zeigen, wie ernst es mir ist und dass ich mich über jede Kritik und jeden Verbesserungsvorschlag freue. Ich möchte meinem Gurt gerecht werden. Ich möchte kein Dödel-Dan werden. Hart gekämpft gegen mich, die Hitze, die vorhandenen Schmerzen. Wieder in die Reihe stellen, Grundschultraining. Überwiegend Tritttechniken, die mir ohnehin schwer fallen. Wieder bis an den Rand der Erschöpfung gekämpft. Immer wieder die Handzeichen von Peter gesehen, auf meine Hikite-Hand zu achten. Bewusstes zurück ziehen der Hikite-Hand. Torsten ermahnt mich, locker zu bleiben. Zwischendurch Liegestützen. Wieder vollkommen fertig aus der Halle gewankt.

Am Tag danach hält sich der Muskelkater erstaunlicherweise in Grenzen. Die Knochen schmerzen, einige Gelenke brauchen eine Pause, ich kann wieder durch atmen. Blasen an den Füßen durch den ganzen Dreck in der Halle. Das Ego immer noch angekratzt, kann sich nun einen Tag erholen bevor es Donnerstag weiter geht.

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